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Blog

Unsere Zukunft #5 – Alexander Mazzara

Natalina Haller

«Von der jungen Generation will ich lernen: Jeden Tag!»

Vor genau einem Jahr ging der interaktive «Jugendsender» joiz zum ersten Mal auf Sendung. In der Interview-Serie «Unsere Zukunft» spricht Alexander Mazzara, CEO von joiz, über sein Journalismusverständnis, Spardruck bei jungen Journalisten und die Herausforderung, online Geld zu verdienen.

 

Weshalb hast Du Dich vor vielen Jahren entschieden, Journalist zu werden?

Alles hat mit der Musikberichterstattung angefangen. Eigentlich schliesst sich jetzt der Kreis wieder, obwohl ich noch nicht am Ende meines Berufslebens bin. Als ich, jünger als 20 Jahre alt, für die Aargauer Zeitung an Wochenenden ab und zu Konzerte besuchen durfte, fand ich es super, neugierig zu sein und Fragen stellen zu dürfen. Damals arbeitete ich noch im Zeilenhonorar, einem sehr fragwürdigen Bezahlmodell für Journalisten. Ich erhielt damals pro Zeile einen Franken und falls ein Foto von mir gedruckt wurde pro Bild 120.- obendrauf. Das weckte das Interesse, mit dem Bild etwas auszusagen, was man im Text nicht bereits konnte. Dies hat mich extrem gepackt, mit dem schönen Nebeneffekt, dabei sogar etwas zu verdienen.

Ein multimedialer Einstieg in den Journalismus?

Man muss relativieren: Damals gab es noch kein Internet. Deshalb war ein Bild bereits multimedial. Daneben habe ich noch etwas Radio gemacht, allerdings begann ich erst nach meinem Studium als Bauingenieur und dem Nachdiplom am MAZ so richtig im Journalismus zu arbeiten.

Weshalb würdest Du Dich heute noch einmal für diesen Beruf entscheiden?

Ich finde es einen tollen Job. Wenn man ein neugieriger, offener und unvoreingenommener Mensch ist – und das bin ich – der andere Menschen gerne hat, lernt man jeden Tag etwas Neues kennen. Zudem liebe ich das Geschichtenerzählen.

Bei joiz arbeitest Du vor allem mit jungen Leuten, die erstmals im Journalismus Fuss fassen. Siehst Du Dich selbst als Vorbild von diesen?

Das müsste man sie fragen. Ich bin ja nicht der Programmchef, dafür haben wir unsere Programmchefin Elif Erisik, die näher am Daily Business ist, als ich es bin. Aber natürlich versuche ich meine Erfahrung in einer Form weiterzugeben und so ein gutes Vorbild zu sein.

Fühlst Du Dich mehr als Chefredaktor einer Redaktion oder als CEO einer Unternehmung?

Wir haben eine Programmchefin und als CEO habe ich sonst sehr viel zu tun. Wenn man aber über 15 Jahre in diesem Bereich tätig war, bringt man ein gewisses Know-How mit. Wir diskutieren laufend und auch sehr offen miteinander.

Zudem geht es ums Geschichtenerzählen, das joiz exemplarisch versucht weiterzudrehen: das sogenannte Transmedia Storytelling. Eine neue Form, die zum Teil technologische Grundbedingungen voraussetzt, damit man es überhaupt betreiben kann. So beginnen wir zum Beispiel eine Geschichte auf einem Vektor zu erzählen, um sie dann auf einem anderen weiterzuziehen. Zuschauer können bei uns zum Beispiel ihre Fragen einbringen. Der Erfolg der Interaktion ist nicht die technologische Möglichkeit, dass man auf einem Gerät, auf einer Website oder in einer App eine Frage stellen kann. Der Erfolg ist vielmehr, wenn die Frage sinnvoll in der Sendung verknüpft wird und die Zuschauer die Möglichkeit haben, sowohl im Vorfeld, während und nach der Sendung einen Teil davon zu sein. Erst das macht es aus. Das braucht viel Erfahrung und ich bringe mich da gerne ein.

Mit dem Ausprobieren entstehen auch Fehler. Sollte diese trail-and-error-Kultur im Schweizer Journalismus verstärkt werden?

Wer sagt, er wisse wie alles funktioniert, hat einfach nicht Recht. Man kann im Voraus nie sagen, wie etwas funktionieren wird. Vor joiz habe ich unter anderem bei SF Spezial gearbeitet. Da hatte ich eine ziemlich offene Plattform des Schweizer Fernsehens, um neue Format- und Themenwochen auf verschiedenen Vektoren auszuprobieren. Deshalb kann ich nicht sagen, ich hätte das Ausprobieren total vermisst und könne es erst jetzt endlich machen. Es ist klar, dass wir mit unserem kleinen Unternehmen nicht derart in der Öffentlichkeit stehen, dass jeder Fehler auf die Goldwaage gelegt wird und einen die Sonntagszeitungen kleinschreiben, wenn man etwas falsch macht. Das gibt uns Möglichkeiten, bei welchen andere vielleicht noch zurückhaltender und risikoscheuer sind. Wir riskieren Vieles, manchmal funktioniert es, manchmal geht nur ein Teil auf. Dafür geschehen vielleicht Dinge, die man so in dieser Intensivität nicht erwartet hätte.

Welche Fehler muss ein junger Journalist zu Beginn seiner Karriere machen, um das Business zu begreifen?

Ich rate immer allen, sie sollen einfach loslegen. Viele junge Menschen sagen, sie möchten Journalist werden, dann frage ich immer: Hast du schon irgendetwas geschrieben, egal ob für die Pfadi-Zeitung oder in einem Blog? Als Journalist muss du einen gewissen Drang haben, was du irgendwo erfährst anderen mitteilen zu wollen. Nur für sich selbst etwas zu machen und zu denken, es wäre eigentlich schon noch cool, Journalist zu sein, macht mich ehrlich gesagt etwas skeptisch. Sämtliche Journalisten bei joiz waren zuvor in irgendeiner Form journalistisch tätig. Diese Leute haben Neugier, Tatendrang und ein journalistisches Grundverständnis. Der Rest geben wir ihnen mit.

Sind das auch die Fähigkeiten und Charaktereigenschaften, die Du von jungen Journalisten erwartest?

Neugierde ist ganz gross geschrieben. Doch auch eine gewisse Skepsis, nicht immer gerade alles zu glauben und mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, erwarte ich von jungen Journalisten. Was beim Fernsehen dazu kommt: Man muss ein Teamplayer sein. Im multimedialen Journalismus wird das noch viel wichtiger werden. Denn man ist immer mehr auf andere Menschen angewiesen, die etwas bearbeiten, kopieren, transkodieren, filmen, schneiden, redigieren. Das trifft nicht nur auf Moderatoren, sondern auch auf klassische Redaktoren zu. Zudem erwarte ich eine Offenheit, was die eigene Arbeit anbelangt. Dass man mit viel Hingabe und Leidenschaft arbeitet und ständig versucht, sich zu verbessern.

Da erstaunt es doch, dass viele junge Journalisten zwar Onlinemedien nutzen, um sich zu informieren, spätzer aber trotzdem in einer «traditionellen» Mediengattung arbeiten möchten?

Vielleicht müsste man hierzu eine grundsätzlichere Diskussion führen: Was heisst überhaupt Fernsehen oder Zeitung? Ich glaube, sobald sich die Nutzungsmessung ändert – und das ist nächstes Jahr der Fall – zum Beispiel wenn ein Aufruf eines joiz- oder SF-Beitrages auf Youtube auch zur klassischen Nutzung dazugezählt wird, so nennt sich dies ebenfalls Fernsehen. So gilt nicht mehr das Gerät, der Fernseher, als Fernsehen, sondern das Bewegtbild an sich. Das nennt sich vielleicht immer noch Fernsehen, ist aber Bewegtbild auf allen möglichen Vektoren. Ich denke, dass sich dann auch die Wahrnehmung verändern wird.

Trotzdem wird gerade Onlinejournalismus immer noch als etwas qualitativ Schlechteres gewertet. Weshalb dies?

Wer sagt das? Ich finde diese Sicht total überholt. Es gibt sehr viele gute Beispiele, die das Gegenteil beweisen. Zum Beispiel 20 Minuten Online – dessen Redaktion bereits exemplarisch mit neuen Varianten und Grafiken ganze Stories erzählen. Das kann nur ein Onlinemedium und würde in einem Printmedium nicht funktionieren. Kommt hinzu, dass viele traditionelle Medienmarken Vertrauen und Seriosität ausstrahlen, das über Jahre aufgebaut wurde. Bei allem Respekt gegenüber jungen Marken, die brauchen auch ihre Zeit, um diese Attribute aufzubauen. Das kann man nicht einfach mit einigen lustigen Videos oder Texten aufbauen, das braucht Zeit. Das gilt auch für uns – wir sind noch nicht mal ein Jahr alt und sind noch längst nicht angekommen.

Könnte dies auch ein Grund sein, weshalb es journalistische Berufseinsteiger eher zu traditionellen Mediengefässen zieht?

Das müsste man diese fragen. Aber es gibt sicher Journalisten, die sagen wollen, sie arbeiten beim Tagesanzeiger oder beim Schweizer Fernsehen. Steht man abends an der Bar tönt es definitiv cooler, wenn man sagen kann, man arbeite beim Schweizer Fernsehen. Am Schluss strahlt die Marke ja auch auf die Person ab. Das sah ich auch in meiner eigenen Karriere. Rief ich als Journalist an und sagte «Schweizer Fernsehen Kassensturz», war meist am anderen Ende des Telefons für drei Sekunden Ruhe. Wenn ich jeweils als RTL-Journalist anrief, hiess es oft «Oh, ich habe gerade keine Zeit». Je nach dem steigt man auf einer völlig anderen Ebene in ein Gespräch ein.

Insgesamt hat der Journalismus in unserer Gesellschaft einen eher schlechten Ruf. Was machst Du persönlich, um das Verständnis für unsere Berufsgattung zu verbessern?

Ich bin nicht einer, der an viele Partys geht, um Cüplis zu trinken. Aber ich bin immer wieder dafür da, an Podiumsdiskussionen jeglicher Art aufzutreten, um unsere Position als Journalisten und auch als wichtigen Teil unseres Staates und unserer Gesellschaft darzulegen – das wird mit Social Media nicht anders. Ich glaube nicht, dass es mit den neuen Medien weniger Journalisten braucht, nur weil jeder Journalist sein kann, der drei Zeilen gerade schreiben kann. Es braucht vielmehr einen Filter, eine Übersetzung, eine Gewichtung, jemand der eine Plattform bietet und Sachen verschieden gewichtet. Wir sind Journalisten: Auch was wir auf Twitter und Facebook machen ist Journalismus.

Welches sind die grössten Herausforderungen für junge Journalisten in Zukunft?

Ich glaube, die Medien werden sich in den nächsten Jahren noch dramatischer wandeln. Das hat längst begonnen: Bei kleineren Regionalzeitungen findet bereits eine Konsolidierung statt. Trotzdem ist der Bruch in der Mediennutzung noch nicht im Werbemarkt angekommen. Man kann mit klassischen Produkten immer noch Geld verdienen. Das wird sich ändern, 100%ig. Gleichzeitig wissen wir, dass man online noch nicht wirklich Geld verdienen kann. Am Ende des Tages muss ein Medium auch finanziell erfolgreich sein, damit es langfristigen Bestand hat. Deshalb erwarte ich in den nächsten Jahren fundamentale Veränderungen in diesen Formen. Das bedeutet vor allem Unsicherheit. Dass jemand mit 30 Jahren bei einer Zeitung als Journalist anfängt und mit 65 am selben Ort in Rente gehen kann, wird es in Zukunft kaum geben.

Was bedeutet dies aus finanzieller Sicht? Es wird immer mehr gespart, vor allem bei den Löhnen von jungen Journalisten.

Was heisst das, es wird immer mehr gespart?

Dass zum Beispiel der Antrieb, im Journalismus zu bleiben, nicht mehr derselbe sein wird?

Ich bin skeptisch, wenn einer nur wegen des Lohnes einen Beruf ergreift. Das mag bei einer Bank funktionieren, nicht aber im Journalismus. Einverstanden, wenn jemand nicht mehr von seiner beruflichen Tätigkeit leben kann, dann haben wir und die Gesellschaft ein Problem. Aber wenn einer sagt «Ach, ich verdiene 1000 Franken mehr, wenn ich irgendwo in die PR gehe», dann soll er in die PR gehen. Denn dann ist er kein wahrer Journalist.

Gespart wird auch bei Berufseinstiegern, die erste Erfahrungen sammeln. Welche Entwicklung folgt auf die «Generation Praktikum»?

Klar, der Spardruck ist da. Aber ich muss sagen, wenn ein Medium Praktikanten nur zum Sparen anstellt, so steht es schlecht um diese Unternehmung. Ein Praktikum ist allerdings auch eine Chance – eine für beide Seiten. Eine Chance, damit der Praktikant ausprobieren kann, ob er in diesem Betrieb oder in diesem Beruf wirklich Fuss fassen will. Eine Chance aber auch für die Unternehmung. Man merkt nach drei Monaten sehr schnell, wen man wirklich behalten möchte. Wir investieren ziemlich viel in unsere Praktikanten, niemand arbeitet bei uns gratis. Unser Ziel ist klar: Wer sich bewährt, dem versuchen wir eine Festanstellung zu geben.

Gibt es auch Dinge, die gestandene Journalisten von jungen Berufskollegen lernen können?

Sicher, jeden Tag. Zwei Beispiele: Als gestandener Journalist – wie du sagst – weiss ich, wie man Geschichten erzählt. Die jungen joiz-Journalisten wissen im Gegenzug viel besser, wie ihre Generation funktioniert. Das zeigt sich schon an der Wortwahl. Ich lasse ihnen dabei freie Hand. Sie treffen die Sprache unseres Zielpublikums. Ich glaube, das gilt für jedes Medium. Ein erfahrener Journalist, der 50- oder 55-jährig ist, müsste ja auch ein Interesse haben, dass ihn 20-Jährige lesen. Ein anderes Beispiel ist die Mediennutzung: Ich sehe immer wieder, auch wenn ich mit älteren Kollegen spreche, dass sie mich ganz erstaunt fragen, wie ich mit all diesen neuen Technologien überhaupt umgehen könne. Oft sind grosse Vorurteile im Raum. Aber wenn du dann mit ihnen sprichst und sie fragst: Hast du ein Profil bei Facebook, hast du schon mal irgendwo etwas gepostet oder geliked, folgt immer ein «Oh neinein». Die Mediennutzung verändert sich, junge Journalisten leben uns dies tagtäglich vor. Deshalb muss man einfach offen und neugierig sein. Ich frage immer wieder, wie die Jungen bei uns Medien nutzen, wann sie online gehen, was sie im Internet machen, wie sie auf einer Seite navigieren usw. Es gibt so viele Sachen, die interessant sind und wir von der jüngeren Generation lernen können. Ich sage dies ganz bewusst, da ich selbst eigentlich zwei bis drei Generationen älter bin als diese Leute. Von ihnen will ich lernen: Jeden Tag!

Unsere Zukunft #4 – Patrik Müller

Natalina Haller

«Recherchierlust, Robustheit und Freude an langen Arbeitstagen.»

Welche Tipps gibt einer der jüngsten Schweizer Chefredaktoren Berufseinsteigern mit auf den Weg? Patrik Müller, Chefredaktor «Der Sonntag», erklärt, wo seiner Meinung nach Journalismus am besten gelernt werden kann und weshalb er auch heute nochmals diesen Beruf wählen würde. Nach Hannes Britschgi, Michèle Binswanger und Hansi Voigt ist Patrik Müller der Vierte im Bunde, der sich unserer Interview-Serie «Unsere Zukunft» stellte.

 

Weshalb hast Du Dich vor vielen Jahren entschieden, Journalist zu werden?

Ich mochte Zeitungen schon als Kind. Irgendwann während der Oberstufe war mir klar, dass ich dort arbeiten wollte. Am liebsten für den Sport, wohl weil ich dachte, dass ich nahe an den Fussballstars rankomme.

Würdest Du Dich heute nochmals für den Beruf des Journalisten entscheiden?

Ja.

Weshalb?

Weil jeder Arbeitstag ein Erlebnis ist. Und weil ich mich, auch wenn ich einen anderen Beruf hätte, mit dem Weltgeschehen auseinandersetzen würde und neugierig wäre. Als Journalist kann ich diesen Interessen sogar gegen Entlöhnung nachgehen.

Sollten Jugendliche mit dem Traum, Journalist zu werden, Dich als Vorbild nehmen?

Wenn Sie einmal «Sonntag»-Chefredaktor werden wollen: Dann ja!

Welches sind Deine journalistischen Vorbilder?

Als Jugendlicher beeindruckte mich Roger Schawinski am meisten.

Welches ist/war Dein journalistisches Berufsziel – wo wolltest Du schon immer arbeiten?

Mein Traumjob war als Jugendlicher eine Redaktorenstelle beim «Badener Tagblatt».

Und was hält Dich davon ab?

Ich arbeite nun immerhin beim Nachfolgeverlag des «Badener Tagblatts».

Aus Fehlern lernt man, sagt ein Sprichwort. Aus welchem Fehler hast Du am meisten gelernt?

Im Regionaljournalismus habe ich gelernt, dass eine Story immer wasserdicht sein muss und nicht übermässig zugespitzt werden darf. Sonst beschweren sich die Leute beim Einkaufen  oder an der Bushaltestelle bei dir.

Welchen Fehler sollte jede/r Jungjournalist/in einmal gemacht haben?

Zu lange Texte geschrieben haben. Nur so lernt man, wie gut ein Text wird, wenn man ihn kürzt.

32% der Schweizerinnen und Schweizer vertrauen Journalisten. Mit diesem Prozentsatz liegt unser Berufsstand auf dem 16. Rang, nach Landwirten, Lehrern und Taxifahrern. Was unternimmst du in deinem Berufsalltag, um den schlechten Ruf des Journalismus zu verbessern?

Warum wollen so viele Menschen Journalist werden, wenn der Ruf so schlecht ist? Der Arbeitsmarkt ist für mich glaubwürdiger als Umfragen. Dennoch: Wir müssen die Glaubwürdigkeit unseres Berufes mit jedem Artikel neu erkämpfen. Wahrhaftigkeit ist das wichtigste Prinzip.

Welche Fähigkeiten und Charaktereigenschaften braucht ein/e junge/r Journalist/in?

Recherchierlust, Robustheit und Freude an langen Arbeitstagen.

Welches sind die grössten Herausforderungen für junge Journalistinnen und Journalisten in Zukunft?

Heute erlernt man vielerorts nur noch den Kurzfutterjournalismus. Künftig werden anspruchsvolle und gut geschriebene Texte wieder wichtiger sein. Denn Kaufmedien werden zu Premiumprodukten. Hier gibt es leider wenig Übungsmöglichkeiten für Junge.

Haben junge Journalist/innen dank des Onlinejournalismus bessere Chancen, im Beruf Fuss zu fassen?

Ja, insgesamt gibt es mehr Arbeitsplätze als früher und Junge können sich auf Blogs austoben. Das schärft die Sprachkompetenz.

Was können Journalisten, die bereits seit längerer Zeit im Beruf stehen, von jüngeren Kollegen lernen?

Dass auch neu sein kann, was alte Hasen mit «schon gelesen!» kommentieren. Betriebsblindheit ist die häufigste Krankheit bei älteren Journalisten. Nebst Zynismus.

Was folgt auf die «Generation Praktikum»?

Journalisten.

Unsere Zukunft #3 – Hansi Voigt

Natalina Haller

«Gute Inhalte sind immer gesucht, egal in welchem Medium.»

Hansi Voigt, Chefredaktor von 20 Minuten Online, kann verstehen, dass es junge Journalistinnen und Journalisten noch immer in den Printjournalismus zieht. Trotzdem ist er der Meinung, dass die Zukunft dem Web gilt und dort die spannendsten Erzählformen für Geschichten gefunden werden können. Nach Hannes Britschgi und Michèle Binswanger ist Hansi Voigt der Dritte im Bunde, der sich unserer Interview-Serie «Unsere Zukunft» stellte.

Weshalb haben Sie sich vor vielen Jahren entschieden, Journalist zu werden?

Weil ich Meinungen einholen und Inhalte erzählen schon immer wichtig und spannend fand.  Ausserdem glaube ich, dass Geschichten erzählen immer eine Zukunft hat.

Was entgegnen Sie jungen Journalisten, die ängstlich in die Zukunft blicken, da man ihnen eintrichterte, ihr Beruf habe keine Zukunft?

Wenn ich vor Journalistenschülern sitze, merke ich tatsächlich oft eine grosse Skepsis. Ich versuche die Leute aufzumuntern und erkläre ihnen, dass sie ja nicht Drucker, sondern Journalist werden. Gute Inhalte sind immer gesucht, egal in welchem Medium. Ausserdem bin ich überzeugt, dass Journalisten im Mediengeschäft wieder eine grössere Wichtigkeit erhalten. Denn die Journalisten und deren Inhalte werden das einzige Unterscheidungsmerkmal der Verleger sein. Heute wichtige Produktionsfaktoren wie Druckerei und Vertrieb werden in einer digitalen Welt marginalisiert. Es bleiben die Journalisten.

Dazu gehört auch ein journalistisches Verständnis, in Zukunft nicht mehr nur für einen Kanal zu produzieren. Ist diese Denke bei 20 Minuten bereits etabliert?

Man muss die Kanäle, auf denen man seine Inhalte anbietet, spezifisch bespielen können. Ich glaube deshalb nicht an eierlegende Wollmilchsäue. Woran ich aber glaube, ist ein offener, angstfreier Austausch. Wir haben zwischen Print und Online diverse Regeln festgelegt. Das Hauptstichwort heisst aber absolute Transparenz und Austausch. Wir sind hier auf der Suche nach Synergien schon sehr weit gekommen, ohne die Qualität der einzelnen Channels zu beeinträchtigen und ohne eine Schaukäserei zu betreiben, die sich Newsroom nennt.

Fragt man angehende Journalist/Innen, äussern sie sich oft negativ über Onlineportale, obwohl sie selbst fast nur Onlinenews konsumieren. Wie deuten Sie diese Verzerrung?

Als junger Journalist kann ich nachvollziehen, dass einen die grossen Printtitel reizen, werden doch die Marken noch immer stark über Printprodukte definiert. Doch wer einmal online gearbeitet hat, sieht die Beschränkungen der anderen Medien bzw. die Möglichkeiten im Online-Bereich.

Weshalb hat Onlinejournalismus trotzdem einen solch schlechten Ruf?

Das hängt natürlich mit den Ressourcen zusammen: Bei 20 Minuten Online beschäftigen wir 65 Vollzeitmitarbeiter. Der Anspruch, an 365 Tagen während 24 Stunden relevante Nachrichten zu produzieren, ist aber eigentlich ziemlich masslos. Vergleicht man dies mit einer Printredaktion, die «nur» 220 Ausgaben pro Jahr produziert, merkt man, dass die Personaldecke immer noch relativ dünn ist. Was mein Chef natürlich ganz anders sieht! (lacht)

Wo rekrutieren Sie Journalisten mit einem gewissen Onlineverständnis?

Ab Stange gibt’s da nicht viel zu holen. Wir stellen fest, dass Fachhochschulabgänger zwar journalistisch noch nicht so sicher sind, dafür in der Multimedialität schon viel offener denken. Die gestandenen Print- oder Radioleute sind journalistisch stark, denken aber noch nicht so schnell über alle Medienformen hinweg. Fertige Onlinejournalisten gibt es kaum, den Reifeprozess müssen wir selbst übernehmen.

Welches ist die Essenz, die Onlinejournalismus ausmacht?

Die wichtigsten Punkte sind immer dieselben: Sorgfalt, Neugierde, Fairness und Präzision. Arbeitet man online, kommt ausserdem die Möglichkeit, Geschichten verschieden zu erzählen, hinzu. Ein guter Online-Journalist nutzt seine kreativen Möglichkeiten, anders zu erzählen. Man kann einen Text abtippen, Inhalte in Quizform präsentieren, zur Illustration ein Video selbst drehen oder nach einem solchen suchen. Zudem müssen Onlinejournalisten vom Start weg viel mehr Eigenverantwortung übernehmen – kein Chef kann seine Online-Mitarbeiter 24 Stunden lang kontrollieren.

Trotz der höheren Verantwortung verdienen Printjournalisten noch immer mehr als ihre Onlinekollegen. Können Sie sich dies erklären?

Das hat natürlich mit der Altersstruktur zu tun. Ist der Durchschnittslohn bei einer NZZ-Printredaktion höher, so ist gleichzeitig auch das Durchschnittsalter höher. Journalisten bei 20 Minuten Online verdienen dasselbe wie ihre Printkollegen. Sollte es noch immer Redaktionen geben, in welchen ein Printjournalist als Anfänger mehr bekommt als ein Online-Novize, so halte ich dies für dumm und wenig zukunftsgerichtet.

Haben Sie gelegentlich Mühe mit dem Journalismusverständnis älterer Berufskollegen, die sich noch immer als Welterklärer hervorheben und dabei ihre Leserschaft aus den Augen verloren haben?

Das nehme ich zur Kenntnis und wundere mich dabei. Ich befürworte ausdrücklich einen Journalismus, der in Korrespondenz mit den Lesern steht. Nicht nur Senden, sondern auch Empfangen. Das bringt nicht nur uns enorm viel. In der Sendung «Wer wird Millionär» ist der sicherste Joker stets der Publikumsjoker, da er zu 70 oder 80% die richtige Lösung offenbart. Das ist ein plumpes Beispiel, aber auf die Intelligenz und den Input der Masse im Journalismus des Jahres 2012 aus Eitelkeit oder aus Angst um seine elitäre Position zu verzichten, halte ich für antiquiert.

Welchen Fehler sollte jede/r Jungjournalist/in einmal gemacht haben?

Jeder junge Journalist schätzt zu Beginn seines Arbeitsalltages die Ressourcen falsch ein. Oft schlagen mir neue Leute zu Beginn eine Riesenarbeiten vor und setzen sich dann zwei Wochen daran, um bei der Veröffentlichung festzustellen, dass die Geschichte nicht mehr angeschaut wird als eine Agenturgeschichte, die vielleicht in zehn Minuten produziert wurde. Was macht man mit dieser Erkenntnis? Nur noch Agenturgeschichten produzieren? Nein, das wäre völlig falsch. Aber man muss daran denken, dass man den Artikel mit dem grossen Aufwand auch gross verkaufen muss. Erst dann lohnt es sich.  Diese Ökonomie erschliesst sich aber erst mit der Zeit. Und das ist auch gut so.

Was können Journalisten, die bereits seit längerer Zeit im Beruf stehen, von jüngeren Kollegen lernen?

Enthusiasmus.

Wie beobachten Sie die Entwicklung, dass sich Journalisten im Netz dank neuer Medien selbst zu einer Marke etablieren?

Das ist sicher gut. Jeder soll sich so teuer wie möglich machen. Allerdings ist es wichtig, als Journalist nicht nur für die eigenen 50 Twitter-Follower zu schreiben, sondern ständig das gesamte Publikum im Auge zu behalten. Sonst wird man wieder von der Eitelkeit getrieben und der journalistische Service verschwindet.  Die Gesamtmarke der Medienprodukte wird die der einzelnen Journalisten aber immer überstrahlen.

Unsere Zukunft #2 – Michèle Binswanger

Natalina Haller

«Wir haben die Möglichkeit, den Berufsstand neu zu definieren.»

Nachdem wir mit Hannes Britschgi unsere Interview-Serie «Unsere Zukunft» eröffneten, steht heute eine Journalistin Red und Antwort zu den Zukunftsaussichten unseres Berufsstandes. Michèle Binswanger arbeitet seit der Lancierung des Newsnet (Tagesanzeiger.ch u.a.) im Onlinejournalismus und hat unter anderem den «Mamablog» gegründet. Dafür wurde sie zusammen mit Nicole Althaus im Dezember 2010 zur Journalistin des Jahres gekürt.

Weshalb hast Du Dich vor vielen Jahren entschieden, Journalistin zu werden?

Weil ich gerne schreibe, gerne denke, ein neugieriger (und damals auch etwas naiver) Mensch bin und mir schien, dass diese Voraussetzungen gut zum Journalismus passen.

Würdest Du Dich heute nochmals für den Beruf des Journalisten entscheiden?

Diese Frage kann ich nicht beantworten, weil ich an einem anderen Punkt stehe als damals. Schon damals wurde mir davon abgeraten und ich würde meinen Kindern wohl auch davon abraten. Wenn sie es dann trotzdem würden werden wollen, würde ich sie aber nicht dran hindern.

Weshalb?

Weil die Branche im Umbruch ist und kaum Sicherheit bietet. Man sehr viel Leidenschaft und Flexibilität und auch Glück mitbringen, um sich durchsetzen zu können. Weil es wenig Sicherheit gibt und der Verdienst nur mittelmässig ist. Dafür ist der Beruf hochinteressant.

Sollten Jugendliche mit dem Traum, Journalist zu werden, Dich als Vorbild nehmen?

Kommt darauf an, was man unter «Vorbild» versteht. Wenn sie ein Poster von mir aufhängen wollen, habe ich nichts dagegen, auch nicht, wenn sie meine Texte lesen und sich dadurch inspiriert fühlen. Ich würde ihnen aber ein anderes Vorgehen empfehlen, als ich es gewählt habe. Ich habe studiert und bin dann eingestiegen. Journalismus habe ich learning by doing gelernt. Besser ist eine solide journalistische Grundausbildung. Wenn man alles nur in der Praxis lernt, wie ich, dauert es dreimal so lange.

Welches sind Deine journalistischen Vorbilder?

Ich habe keine «Vorbilder» mehr, aber es gibt JournalistInnen, die mich inspirieren. Meine Arbeitskollegen bei Newsnet, mit denen ich in ständigem Austausch stehe.  Dann Constantin Seibt (wegen seiner Schreibe), der Roger Köppel der Neunzigerjahre (wegen seiner Leidenschaft), Margrit Sprecher (wegen ihrer Schreibe).

Welches ist/war Dein journalistisches Berufsziel – wo wolltest Du schon immer arbeiten?

Ich wollte immer bei einem Magazin arbeiten und eine Kolumne schreiben und möglichst viele Freiheiten haben. Das habe ich alles erreicht (Facts, Mamablog). Inzwischen kann ich mir nicht mehr vorstellen, bei einem Nur-Print-Produkt zu arbeiten.

Und was hält Dich davon ab?

Es waren immer die Gatekeeper, die mich von etwas abhielten. Manchmal wird man schlecht behandelt und denkt dann, man tauge nichts. Das sollte man nicht. Auf der anderen Seite muss man die Kritik suchen, denn aus Kritik lernt man.

Aus Fehlern lernt man, sagt ein Sprichwort. Aus welchem Fehler hast Du am meisten gelernt?

Abgesehen von den obligaten technischen Fehlern, war es vor allem folgendes: Ich bekam sehr viel Lob und Kritik hat mich immer wahnsinnig verunsichert. Lob ist gut, aber Kritik ist wertvoller. Wenn man lernen will, muss man sich der Kritik stellen. Man muss lernen zu unterscheiden, welche Kritik man ignorieren kann und aus welcher man lernen sollte. Allgemein glaube ich, sollte man folgendes vermeiden: Zu früh aufgeben, sich selber nicht genügend vertrauen, meinen, nur weil jemand in der Hierarchie höher steht, weiss er es auch besser.

Welchen Fehler sollte jede/r Jungjournalist/in einmal gemacht haben?

Zu meinen, er wisse alles besser.

32% der Schweizerinnen und Schweizer vertrauen Journalisten. Mit diesem Prozentsatz liegt unser Berufsstand auf dem 16. Rang, nach Landwirten, Lehrern und Taxifahrern. Was unternimmst du in deinem Berufsalltag, um den schlechten Ruf des Journalismus zu verbessern?

Ich twittere und verlinke dabei die vielen guten Artikel, die unser Berufsstand produziert.

Welche Fähigkeiten und Charaktereigenschaften braucht ein/e junge/r Journalist/in?

Siehe oben: Neugierde, Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, Hartnäckigkeit, Unvoreingenommenheit, Wachsamkeit.

Welches sind die grössten Herausforderungen für junge Journalistinnen und Journalisten in Zukunft?

Ihren Beruf in der sich dank Internet und Social Media grundsätzlich im Wandel befindlichen Branche neu zu definieren.

Haben junge Journalist/innen dank des Onlinejournalismus bessere Chancen, im Beruf Fuss zu fassen?

Grundsätzlich ja, weil man hier die Möglichkeit hat, den Berufsstand neu zu definieren. Auch wenn die Anforderungen durch den Online-Journalismus anders geworden sind und die Ausbildungen darauf noch kaum Rücksicht nehmen.

Was können Journalisten, die bereits seit längerer Zeit im Beruf stehen, von jüngeren Kollegen lernen?

Man sollte immer versuchen zu lernen, egal ob die Kollegen jünger oder älter sind.

Was folgt auf die «Generation Praktikum»?

Generation Data, Generation Social Media oder Generation Burn Out.

Unsere Zukunft #1 – Hannes Britschgi

Natalina Haller

«Wir brauchen junge Journalisten mit Neugier, Leidenschaft und Rückgrat»

Mit Hannes Britschgi, Publizist und Leiter der Ringier-Journalistenschule, eröffnen wir auf jungejournalisten.ch die Interview-Serie «Unsere Zukunft». Darin stellen wir erfahrenen Journalistinnen und Journalisten unseres Landes Fragen zu ihrem Verständnis neuer Medien, zur künftigen Entwicklung unseres Berufsstandes und den damit verbundenen Anforderungen an die neue Journalistengeneration.

 

Weshalb haben Sie sich vor vielen Jahren entschieden, Journalist zu werden?

Ich bin in diesen Beruf hinein gewachsen. Nach dem Anwaltspatent habe ich eine Arbeit in der Filmbranche gesucht. Mein Fernziel: mit filmischen Mitteln Geschichten erzählen. Der Zufall wollte es, dass ich beim Schweizer Fernsehen landete und dort von der Pike auf das TV-Handwerk erlernte. So wuchs ich langsam in den Fernseh-Journalismus hinein. Karussell, Max, Kassensturz und Rundschau waren meine Stationen. Nach 15 Jahren wurde ich zum Chefredaktor des Schweizer Nachrichtenmagazins FACTS berufen. So bin ich zum Print-Journalismus gekommen und hier bis heute begeistert dabei.

Würden Sie sich heute nochmals für den Beruf des Journalisten entscheiden?

Ja, es ist ein wunderbarer Beruf. Jeden Tag gibt es neue Dinge zu lernen. Jede Recherche, jede Auseinandersetzung mit einer Geschichte führt in neue Welten oder lässt bekannte Bereiche weiter vertiefen. Letztlich versteht man als Journalist jeden Tag die Welt eine bisschen besser. Wir begegnen vielen interessanten Menschen, dürfen überall unsere neugierige Nase reinstecken und haben eine Carte blanche mit allen und jedem in Kontakt zu treten. Leider verschlechtern sich heute die Rahmenbedingungen unseres Berufes. Wir müssen aufpassen, dass die Journalisten weiterhin ihrer grossen Aufgabe nachgehen können: Berichten, was passiert und Orientierung in einer immer komplexer werdenden Welt geben.

Sollten Jugendliche mit dem Traum, Journalist zu werden, Sie als Vorbild nehmen?

Wo immer ihnen guter Journalismus begegnet, sollten sie sich fragen, warum diese Arbeiten sie begeistern. Wenn sie das analysieren, lernen sie von den besten des jeweiligen Fachs. Was mich betrifft: Ich habe auf meinem bisherigen beruflichen Weg versucht, meinen Mitarbeitern das vorzuleben, was ich von ihnen verlange: Leidenschaft für diesen Beruf, Neugier im Leben, Akribie in der Recherche, Fairness gegenüber den Kritisierten, eine absolute Verpflichtung der Wahrheit gegenüber und eine selbstkritische Haltung gegenüber seinem eigenen Material und Standpunkt.

Welches sind Ihre journalistischen Vorbilder?

Bleiben wir mal in der Deutschschweiz: Ich habe viele und erwähne einige stellvertretend: Ich bewundere Niklaus Meienberg für seine Sprachgewalt und seine polemische Vitalität, Erwin Koch für sein Gefühl für Figuren und für seine Feder, Constantin Seibt für die wunderbare Kreativität in seinen Texten, Daniele Muscionico für ihre verdichtete Sprache, “work”-Chefredaktorin Marie-Josée Kuhn für ihren klassenkämpferischen Boulevard, Ex-NZZ-Redaktor Hans Bosshard für die unerreichte Kompetenz in seinem Fachressort SBB, Jean Ziegler und Frank A. Meyer für ihre unerschütterliche Banken- und Kapitalismuskritik, Roman Kilchsberger für sein loses Mundwerk mit dem er sogar das öffentlich-rechtliche Hochamt stören darf, «Blick am Abend»-Chefredaktor Peter Röthlisberger für seinen Stil des verspielten Boulevards, …

Welches ist/war Ihr journalistisches Berufsziel – wo wollten Sie schon immer arbeiten?

Ein eigentliches Berufsziel hatte ich nie. Ich habe angefangen und dann hat es sich jeweils ergeben. Ich versuchte einfach, meine Arbeit gut zu machen, so nach dem Motto: Meine Arbeit ist meine Visitenkarte.

Aus Fehlern lernt man, sagt ein Sprichwort. Aus welchem Fehler haben Sie am meisten gelernt?

Bei meinen ersten Gehversuchen als «Filmer» durfte ich ein Making-off-Video über den «Schwarzen Tanner» von Xavier Koller drehen. Bei der Abnahme wehrte ich mich gegen seine kritischen Einwände. Da herrschte Xavier mich an: «Willst du etwas lernen oder nicht?» Das sass und daran habe ich mich immer wieder gehalten.

Welchen Fehler sollte jede/r Jungjournalist/in einmal gemacht haben?

Egal welchen. Wichtig ist die Lernkurve. Wir sind zwar professionelle Dilettanten. Als Generalisten, die wir heute hauptsächlich sind, müssen wir uns ständig neue Fachfelder erarbeiten. Deshalb brauchen wir ein Netzwerk. Wir sind auf das Urteil von Fachleuten angewiesen, damit wir uns in schwierigem Gelände absichern können.

32% der Schweizerinnen und Schweizer vertrauen Journalisten. Mit diesem Prozentsatz liegt unser Berufsstand auf dem 16. Rang, nach Landwirten, Lehrern und Taxifahrern. Was unternehmen Sie in Ihrem Berufsalltag, um den schlechten Ruf des (Online-)Journalismus zu verbessern?

Das darf uns nicht all zu sehr kümmern. Wir sind für den Rest der Welt eine unangenehme Berufsgruppe. Damit müssen wir leben. Aber wir dürfen keinen Anlass geben, dass andere uns zu Recht in die Pfanne hauen können. Das heisst: Die Verlage müssen ins Handwerk, also in die Ausbildung, der Journalisten investieren. Es genügt nicht, einen Code of Conduct ins Schaufenster zu stellen. Die Qualitätsdiskussion muss täglich gepflegt werden. Das passiert in der Redaktionskonferenz, in der Blattkritik durch interne und externe Referenten, im Gegenlesen, im Fakten-Check, in Feedbackschlaufen und nicht zuletzt durch die Redaktionskultur, für die die Chefredaktion verantwortlich ist.

Fragt man angehende Journalist/Innen, äussern sie sich oft negativ über Onlineportale, obwohl sie selbst fast nur Onlinenews konsumieren. Wie deuten Sie diese Verzerrung?

Da muss ich widersprechen. Mit den «digital natives» kommt eine neue Journalistengeneration, die das anders beurteilt. Die Qualität im Online-Journalismus kommt voran und die journalistischen Grössen im Printjournalismus schreiben immer öfter auch für die Internet-Portale ihrer Marken, denn sie wollen dort publizieren, wo die Leser sind.

Welche Fähigkeiten und Charaktereigenschaften braucht ein/e junge/r Journalist/in?

Neugier, Leidenschaft für den Beruf, sprich eine überdurchschnittliche Energie, Köpfchen und ein Talent, Geschichten zu erzählen, oder komplizierte Dinge einfach darzustellen, Selbstvertrauen, Rückgrat, journalistischen Ehrgeiz, ein rhetorisches Talent, eine provozierende Ader, einen inneren Kompass.

Welches sind die grössten Herausforderungen für junge Journalistinnen und Journalisten in Zukunft?

Schlechtere Arbeitsbedingungen und die damit einhergehende Selbstausbeutung.

Haben junge Journalist/innen dank des Onlinejournalismus bessere Chancen, im Beruf Fuss zu fassen?

Ja, eindeutig. Es gibt einfach neue Möglichkeiten einzusteigen. Allerdings müssen die jungen Journalisten im Online-Journalismus fix schreiben können. Da ist Tempo angesagt und es gibt weniger Zwischenstufen, oder anders gesagt Sicherheitsnetze, bis ein Text publiziert ist.

Was können Journalisten, die bereits seit längerer Zeit im Beruf stehen, von jüngeren Kollegen lernen?

Die «digital natives» bewegen sich schneller und leichter in den neuen Medien. Da können wir «digital immigrants» lernen. Ebenso von der anderen Sicht auf die Welt und von der Beweglichkeit, mit der sich die Jungen den Bedürfnissen der Branche stellen.

Was folgt auf die «Generation Praktikum»?

Die Generation Weiterbildung? Ich vermute, dass die éducation permanente wichtiger wird. Wir lernen nicht einen Beruf. Wir fangen mal an und machen immer weiter. Und die Berufsbilder werden fliessender.

Wo «rekrutieren» Sie gute Onlinejournalisten?

Wir suchen gute Journalistinnen und Journalisten. Für die Online-Kanäle unsere Titel suchen wir natürlich solche, die eine hohe Affinität zum nachrichtlichen Journalismus haben. Wir «rekrutieren» ständig, selbstverständlich aber auch ganz gezielt im Rekrutierungsprozess der Ringier Journalistenschule.

Tim Honegger: «Ich wünschte mir mehr Differenziertheit»

Natalina Haller

Seit einigen Jahren engagiert sich der 19-jährige Aargauer, Tim Honegger, im Journalismus. Trotz seines jungen Alters leitet er bereits eine eigene Redaktion und hat mit seiner Arbeit die Neue Aargauer Kantizeitung Troubadour (NAKT) in eine Erfolgsgeschichte verwandelt. Gegenüber jungejournalisten.ch erklärt er, was ihn am Beruf des Journalisten reizt.

Wie fühlt es sich an, so jung bereits eine eigene Zeitung herauszugeben und eine Redaktion zu leiten?

Es ist zweifellos eine aufwändige, aber überaus bereichernde Aufgabe. Durch das Chefredaktoren-Amt komme ich einerseits mit interessierten Jungjournalisten in Kontakt, die frische Ideen und Ansichten mitbringen. Andererseits ist es ein grossartiger Weg, um sich mit gestandenen Persönlichkeiten in diesem Gebiet zu vernetzen. Insofern ist die Arbeit bei der NAKT gleichzeitig ein Fundament für meine berufliche Zukunft. Nicht zuletzt erfüllt sie mich auch mit stolzer Zufriedenheit – einem Gefühl, das ich so intensiv zuvor kaum je hatte.

Wie bist du zum Journalismus gekommen?

Ich stieg vor drei Jahren als freier Mitarbeit bei der «Aargauer Zeitung» ins Metier ein. Damals trat ich in die Fussstapfen meines Bruders. In der Zwischenzeit habe ich aber meinen eigenen Weg gebahnt – nicht zuletzt dank der NAKT.

Wie kamst du zur NAKT?

Auf die Kantizeitung wurde ich eines Tages aufmerksam, als die Redaktion auf der Suche nach einem neuen Chefredaktor war. In dieser Zeit war ich gerade besonders stark vom Journalismus angefressen und war der einzige, der sich auf den Aufruf meldete.

Kannst du uns etwas zur Entstehung der NAKT erzählen?

Die NAKT ist die Neulancierung des Troubadours, der ehemaligen Kantizeitung. Die beiden journalistisch interessierten Kantischüler Manuela Zeller und Robert Benz riefen die Schülerzeitung 2008 wieder ins Leben – so tragen wir auch heute noch den Troubadour in unserem Namen (Neue Aargauer Kantizeitung Troubadour).

Ihr druckt die NAKT viermal jährlich bei der az-Druckerei. Wie finanziert ihr das ganze Projekt?

Das Geld für die Produktion der Zeitung stammt ausschliesslich aus den Inseraten. Dazu zählen sich mehrheitlich Universitäten, Banken und Sprachaustausch-Anbieter. Unser Budget sieht im Vergleich zu den meisten Schweizer Zeitungen rosig aus – mitunter dank unseren ehemaligen und dem aktuellen Gesamtleiter, Elia Blülle. Durch diese Eigenfinanzierung können wir garantieren, dass wir unabhängig berichten und kritisch sein können.

Weshalb habt ihr euch für eine gedruckte Zeitung und nicht ein Onlinemedium entschieden?

Wir verfügen neben der gedruckten Ausgabe über einen Internetauftritt. Allerdings hat niemand von uns das nötige Know-How und deshalb sieht diese ziemlich verwahrlost aus. Also bitte googelt sie nicht!

Welche Rückmeldungen erhaltet ihr – nicht nur von Schülerinnen und Schülern?

Wer stets äusserst entzückt ist über die NAKT, sind unsere (Deutsch-)Lehrer. Sie rechnen uns ehrenamtlich Schreibenden die Arbeit bei der Kantizeitung hoch an. Im ausserschulischen Bereich ist die Zeitung jedoch recht unbekannt.

Schülerinnen und Schüler sind im Kantialter nicht immer gleich zuverlässig. Wie motivierst du dein Team immer wieder von Neuem?

Das ist wirklich einer der Knackpunkte, der mit diesem Amt verbunden ist. Bei den meisten Redaktoren braucht es mehrere E-Mails, bis das gewünschte Material endlich da ist. Die Motivierung kommt aber weniger von unserer Seite: Am meisten treibt es die Redaktoren wohl an, wenn sie ihren eigenen Text in der gedruckten Zeitung lesen können. Genau wie mich auch.

Wie gelingt es dir, Kanti und Zeitungsprojekt nebenher unter einen Hut zu bringen?

Durch diszipliniertes Zeitmanagement. Ich schaue nur selten fern und versuche meine Zeit möglichst sinnvoll zu verbringen – erst seit ich diesen Grundsatz gefasst habe, merke ich, wie viel Freizeit wir Kantischüler wirklich haben. Und wie wenig wir davon nutzen. Dennoch hat das Schulische zuweilen das Nachsehen – besonders kurz vor der Publikation.

Was war dein prägendstes Erlebnis in Zusammenhang mit der NAKT?

Ich führte einmal ein Interview mit dem Fraktionschef der SVP Aargau, Andreas Glarner. Im Gespräch erwähnte er beiläufig, die Kanti Baden sei ein Drogenmekka, und dass es dort Prostituierte gebe. Das schlug natürlich hohe Wellen in den nationalen Medien – der Höhepunkt war, als ich bei Giacobbo/Müller als «giftiger Kantischüler-Journalist» bezeichnet wurde. Ich verstehe das als Kompliment.

Wo holst du dir die Ideen für deine Zeitung, was und wer inspiriert dich?

So langweilig es auch klingen mag: Die Ideen dazu finde ich im Alltag – denn er beschäftigt uns Menschen am meisten. Wenn man mit offenen Ohren und Augen durch die Welt geht, ergeben sich die spannenden Themen von selbst. Diese Erfahrung habe ich auch bei der journalistischen Arbeit bei anderen Medien gemacht.

Nach der Kanti wird wohl auch deine Zeit bei der NAKT zu Ende gehen – was sind deine Pläne für danach?

Zuerst werde ich wohl die Universität besuchen. Über die Richtung bin ich indes noch nicht sicher; womöglich wird mein Studium etwas mit Sprachen, Politik oder internationalen Angelegenheiten zu tun haben.

Hast du ein journalistisches Vorbild oder vielleicht ein Vorbild für deine Zeitung?

Nein, ich bin noch nie einer anderen Person nachgeeifert. Selbstverständlich gibt es Personen, die mich inspirieren oder beeindrucken – doch ich möchte mein Leben eigens gestalten. Von den Zeitungen und Magazinen überzeugt mich keine durch das Band. Das will aber nicht heissen, dass ich nicht das eine oder andere abkupfere. Ich wünschte mir in der Schweizer Medienlandschaft jedoch mehr Differenziertheit – die politische Färbung ist bei vielen Medien unübersehbar.

Was möchtest du an deiner Zeitung in Zukunft noch verbessern?

Wir arbeiten ununterbrochen an der Verbesserung unserer Zeitung. Es ist allerdings schwierig bis unmöglich, uns langfristig zu ändern: Ständig verlassen uns Redaktoren und es kommen neue hinzu. Das birgt aber auch Vorteile: So sind wir dynamisch und können eine grosse Durchmischung an Themen und Schreibstilen garantieren.