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Blog

daslamm.ch macht Journalismus für die Zukunft

Natalina Haller

Der Name klingt harmlos. Doch dahinter verbirgt sich ein Team von kritischen NachwuchsjournalistInnen, die nicht locker lassen. Das digitale Zukunftsmagazin das Lamm macht Journalismus mit Haltung. Lamm-Redaktorin Anna Haselbach erzählt, wie alles an einem WG-Küchentisch begann, und warum das Team auch dann mit dem Journalismus weitermachen wird, wenn sich kein Rappen damit machen lässt.

Der 21. September 2009: Die Stimmung am Küchentisch der Zürcher WG ist euphorisch. Es hat tatsächlich jemand zurückgeschrieben! Die Umweltnaturwissenschafterin Alexandra Tiefenbacher regt sich schon lange darüber auf, dass die Stadt Zürich den Kompost nicht sammelt – und hatte kurzerhand nachgefragt, warum. Soeben hat sie eine Mailantwort bekommen von der Stadt. Keine plausible Erklärung zwar, aber immerhin: Der Herr von der Verwaltung hat sich die Mühe gemacht, zurückzuschreiben. Damit hat sie etwas in der Hand, um weiter nachzuhaken. „Ich möchte mehr Antworten!“ Michael Schilliger hingegen, Politologiestudent und ihr Mitbewohner, kümmert weniger, dass die Erklärung aus ökologischer Sicht wenig Sinn ergibt. Ihn fasziniert die ausführliche Antwort der Stadt. „Hier gibt es tolle Stories, die wir erzählen könnten!“ So entsteht der erste Text auf dem Lamm-Blog, „Wieso hat Zürich keine Kompostsammlung?“: Aus dem Bedürfnis nach Informationen für eine zukunftsfähige Lebensweise und aus Leidenschaft für gute Geschichten.

Fragen als journalistisches Konzept

Das Konzept ist so simpel wie einleuchtend: Alexandra und Michael beobachteten, dass Unternehmen und Institutionen trotz vollmundiger gegenteiliger Versprechen nicht nachhaltig wirtschaften. Aus KonsumentInnenperspektive fragen sie bei den Verantwortlichen nach, warum sie das tun. Warum ist das Biogemüse doppelt verpackt? Warum müssen bei einem Coiffeur nachts die Lichter brennen? Anschliessend veröffentlichen sie die (meist unbefriedigende) Antwort verpackt in eine Story. Damit führen sie den LeserInnen vor Augen, dass es sich lohnt, nachzufragen – dass ihr Konsumverhalten direkte Auswirkungen hat. Und zeigen, dass Journalismus mit Haltung etwas bewirken kann.

Heute, gut sechs Jahre später, ist aus den zwei WG-MitbewohnerInnen ein Team von zwölf ambitionierten, leidenschaftlichen JungjournalistInnen geworden. Und wir fragen immer noch. Inzwischen allerdings sind unsere Fragen allumfassender und die Themen komplexer geworden. Wir schreiben nicht mehr nur als KonsumentInnen, sondern nehmen beispielsweise politische Initiativen unter die Lupe, recherchieren, warum Palmöl so schädlich ist, oder porträtieren Personen, die mit ihrem unkonventionellen Lebensstil zeigen, dass auch Wohnformen jenseits von Einfamilienhaus und Pärchenwohnung funktionieren.

Diese inhaltlichen Veränderungen haben sich auch in der Form niedergeschlagen. Das Lamm gibt es jetzt auch auf Instagram, und dank unserer neuen, modularen Website können auch PendlerInnen in der S-Bahn auf dem Handy oder Tablet bequem unsere Artikel lesen. Daneben experimentieren wir mit verschiedenen innovativen journalistischen Formaten. Mit Erfolg. Rund 8000 Personen besuchen unsere Homepage pro Monat, und über 1000 LeserInnen haben unseren Newsletter abonniert.

Beim interdisziplinären Team aus Umwelt-, Sozial- und und GeisteswissenschaftlerInnen sind wir seit dem Küchentischmeeting von 2009 geblieben. Die Mischung führt manchmal zu hitzigen Diskussionen an den Redaktionssitzungen. Aber gleichzeitig finden wir viele der spannendsten Stories dort, wo unsere verschiedenen Blickwinkel aufeinandertreffen.

Ein zukunftsfähiges Finanzierungsmodell für das Zukunftsmagazin?

Damit das so bleibt entwickeln wir im Moment ein langfristiges Finanzierungsmodell. Bis jetzt arbeiten wir alle ehrenamtlich. Doch die Luft wird langsam dünn: Bereits jetzt investieren einige Lamm-RedaktorInnen bis zu 20 Stunden pro Woche in das Lamm. Deshalb soll neben Einzelspenden eine Mitgliedercommunity das Lamm mittragen. Dieses Modell ist nach wie vor das einzige, das unsere Unabhängigkeit garantiert. Und wir sind überzeugt, dass es in der Schweiz genug Leute gibt, die unsere Vision teilen und die bereit sind, für gut gemachten, differenzierten Journalismus zu bezahlen.

Es wird nicht einfach, das ist uns klar. Die Vorstellung, dass Onlinejournalismus gratis zu sein hat, hält sich hartnäckig in den Köpfen. Doch ein Versuch ist es allemal wert – und sei es nur, um wieder einmal darauf aufmerksam zu machen, dass guter Journalismus teuer ist. Und dass es verdammt schwierig ist, völlig unabhängigen, kritischen Journalismus zu betreiben. Sollten wir scheitern, machen wir trotzdem weiter, so gut es geht. Weil wir das Schreiben lieben und weil es heute mehr denn je Journalismus braucht, der darüber schreibt, wie unser Konsumverhalten, unsere Politik und unsere Lebensweise die Gesellschaft von morgen formt. Und für die Spenderin, die letzte Woche auf dem Spendeneinzahlungsschein vermerkt hat: „Danke für das, was ihr tut“.

P.S.

Wir suchen übrigens laufend Verstärkung! Bist du jung, engagiert und weisst, wie man komplexe Themen in präzise und spannende Texte giesst? Hast du Lust, das Lamm mitzugestalten? Dann lies hier weiter.

Anna Haselbach

Neuer Vorstand bei Junge Journalisten Schweiz

Natalina Haller

Junge Journalisten Schweiz wird ab sofort von einem Duo geführt: Mario Fuchs und Matthias Strasser sind an der Mitgliederversammlung als Co-Präsidenten gewählt worden. Sie werden von fünf neuen Vorstandsmitgliedern unterstützt.

Junge Journalisten Schweiz hat an der Mitgliederversammlung am Samstag, 27. Februar 2016, einen neuen Vorstand gewählt. Die bisherigen Vorstandsmitglieder Mario Fuchs und Matthias Strasser leiten den Verband für junge Journalisten fortan als Co-Präsidenten. Neu im Vorstand sind Oliver Fuchs, Dominik Meienberg, Manuela Paganini, Miriam Suter und Karin Wenger. Das Generalsekretariat wird weiterhin von Janine Teissl geführt. Zurückgetreten sind der bisherige Präsident Elia Blülle, die Vizepräsidentin Luzia Tschirky sowie das Vorstandsmitglied Robin Schwarz. Der Verband dankt ihnen herzlich für ihr grosses Engagement im Dienste der jungen Journalisten in der Schweiz.

Mit dem vergrösserten Vorstand kann Junge Journalisten Schweiz noch mehr Energie in Projekte stecken. Zudem ist der Verein in der Schweizer Medienlandschaft breiter vertreten: Die Vorstandsmitglieder sind für Medien aus Print, Radio, TV und Online tätig. Matthias Strasser arbeitet als Redaktor beim Bundeshaus-Radio, er studierte Geschichte und Medienwissenschaften. Die Diplomausbildung am MAZ absolvierten Mario Fuchs, Reporter bei der Aargauer Zeitung, sowie Oliver Fuchs, Social-Media-Redaktor bei der NZZ. Ebenfalls die Schweizer Journalistenschule besucht Manuela Paganini, sie ist als MAZ-Stagiaire für Radio Freiburg unterwegs. Dominik Meienberg reiste in den letzten Monaten durch die Welt, zuvor war er stellvertretender Redaktionsleiter bei Radio Bern 1. Miriam Suter sitzt in der Online-Redaktion von annabelle.ch. Karin Wenger studiert Journalismus an der ZHAW und arbeitet am Newsdesk der SRF-Nachrichtensendung «10vor10».

Über Junge Journalisten Schweiz

Junge Journalisten Schweiz ist das Netzwerk für Medienschaffende bis 30 Jahre. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, junge Journalistinnen und Journalisten während Ausbildung, Praktika und ersten Festanstellungen zu begleiten und zu unterstützen. Er bietet jungen Journalisten eine nationale und globale Vernetzungsplattform, um mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen in Kontakt zu kommen und zu bleiben. Junge Journalisten Schweiz unterstützt zudem projektbasiert neue Formate und umfangreiche Recherchen, bietet Veranstaltungen sowie Weiterbildungen an und organisiert Teilnahmen an internationalen Medienkongressen.

Karin Wenger

“Wenn wir das anderen überlassen, haben wir keine Zukunft”

Natalina Haller

Insgesamt 30 junge Journalistinnen und Journalisten haben unseren Fragebogen ausgefüllt, den wir anlässlich des Communication Summit 2016 verschickt haben. An dieser Stelle präsentieren wir die anonymisierten Resultate. Wir haben versucht, aus allen eingegangenen Antworten ein Fazit zu ziehen. Unsere Umfrage hat nicht den Anspruch wissenschaftlichen Standards zu genügen, sondern soll ein Stimmungsbild unter jungen JournalistInnen geben.

Was macht den Beruf JournalistIn attraktiv für Dich?

Ganz klar sind Abwechslung, Neugierde und das Kennenlernen von Menschen jene Aspekte, die den Beruf für junge JournalistInnen interessant machen.

Wir haben aus allen eigegangen Statements vier möglichst repräsentative ausgesucht:

“Die Möglichkeit wichtige Themen und Probleme zu beleuchten. Die selbstständige Recherchearbeit. Die Möglichkeit aktuelle Probleme kritisch einzuordnen und verständlich darzustellen. Dafür zu sorgen, dass (Macht)Missbräuche öffentlich gemacht werden und somit zu einer besseren Gesellschaft beizutragen.”
“Mir gefällt es, am Puls der Zeit zu sein, Informationen und Geschichten aufzubereiten und zu erzählen. Ausserdem schätze ich – als ehemaliger Kaufmann – die Abwechslung, die der Job mit sich bringt. Man weiss nie, was auf einen zu kommt.”
“Die Themenvielfalt, die ich bearbeiten kann. Der Blick hinter die Kulissen, der ansonsten nicht möglich wäre. Gerade im Regionaljournalismus. Die Kreativität, sei es stilistisch oder die Darstellungsform.”
“Es ist ein Beruf [...] bei dem ich mich nie fragen muss: Wieso mach ich das überhaupt, hat dieser Job eine Daseinsberechtigung? Er erlaubt mir, kreativ zu sein und sich auch für die Dinge einzusetzen, die mir persönlich wichtig erscheinen."

Warum bist du in den Beruf eingestiegen? Warum hast du es versucht?

Eine Mischung aus Schreiblust, Neugierde, Faszination und Zufall hat die Befragten in den Journalismus geführt.

Auch hierzu haben vier unterschiedliche Statements ausgewählt:

“Ich habe schon immer gerne geschrieben und Zeitung gelesen, deswegen war es eine völlig natürliche Sache für mich, irgendwann auch mit journalistischen Texten anzufangen. Zu Beginn habe ich das nicht mit der Absicht gemacht, auch wirklich einmal Geld damit zu verdienen, es ging mir nur um die Freude an der Sache. “
“Eine sehr gute Praktikumserfahrung hat mich überzeugt und angefixt. Ich würde nicht jede Form von Journalismus bei jedem Medium ausüben.”
“Ich habe schon immer gerne geschrieben und da ich sehr neugierig und interessiert bin, habe ich leicht auf den Weg Richtung Journalismus gefunden.”
“Es war wohl eine gute Portion Mitteilungsbedürfnis und wie immer der Zufall.”

Würdest du jemandem, der jünger ist als du, raten, in den Journalismus einzusteigen?

Eine Mehrheit von über 80 Prozent der Befragten ist grundsätzlich optimistisch und würde den Beruf weiterempfehlen. Die positiven Empfehlungen waren jedoch nur zur Hälfte vorbehaltlos. Aus den Antworten wurde deutlich ersichtlich, dass der Wille die entscheidende Rolle spielt. Junge Journalistinnen brauchen demnach Durchhaltevermögen, Geld darf nur eine untergeordnete Rolle spielen, eigene Ideen und schnelle Anpassungsfähigkeit sind gefragt. JournalistIn ist aus Sicht der befragten NachwuchsjournalistInnen kein Beruf wie jeder andere.

Ja

“Unbedingt! Der um sich schlagende Pessimismus in der Branche geht mir sowieso schon auf die Nerven. Klar, die digitale Transformation ist eine grosse Herausforderung, aber sie ist auch eine grosse Chance, selbst kreativ zu werden und etwas eigenes auf die Beine zu stellen! Wir beginnen sozusagen bei Ground Zero. Das ist gerade für junge Journalistinnen und Journalisten eine grosse Chance, sich zu beweisen und etwas Neues zu probieren.”

Eher Ja

“Ja, aber nur wenn man es wirklich will. Dann ist es toll, und wenn man gut ist, kommt man auch zum Zug. Dafür muss man aber viel opfern, was es - wenn man wirklich will - auch Wert ist und sich auch auszahlt. Wenn man nicht wirklich will, klappt es sowieso nicht. Optimistisch aber auch: ich bin überzeugt, dass es die journalistische Leistung immer brauchen wird, nur vielleicht müssen wir die Form (wieder) finden.”

Eher nein

“Jein. Dank dem Internet ist der Beruf im Wandel und so spannend wie noch  nie. Andererseits denken viele bei ihrem Einstieg an eine Art von (Magazin-)Journalismus, von dem nur wenige tatsächlich leben können. Es ist ein Job, bei dem man innert kürzester Zeit desillusioniert werden kann, besonders wenn man fix in einer Redaktion arbeitet.”

Nein

“Nein. Keine Stellen, ewig andauernde Praktika, schlechte Bezahlung, unsichere Jobs.”

Wohin steuert der Journalismus – auch angesichts der immer wichtiger werdenden sozialen Medien?

Die Frage aller Fragen, mit denen sich JournalstInnen beschäftigen, treibt auch die jungen JournalistInnen um. Soziale Medien stehen bei den befragten jungen JournalistInnen hoch im Kurs, allerdings werden deren Funktionsweise und Einfluss auf die Arbeit von JournalistInnen kritisch hinterfragt. Eine abschliessende Antwort würde der Natur des ständigen Wandels widersprechen. Ein sehr interessantes Statement über unterschiedliche parallel laufende Entwicklungen möchten wir an dieser Stelle stellvertretend erwähnen:

“Journalismus steuert in mindestens zwei Richtungen: Journalismus, der in der Aufmerksamkeitsökonomie der sozialen Medien bestehen will und deshalb auf schnelle - was nicht heisst: qualitativ schlechte - News und Unterhaltung setzt. Und als zweites Informations- und Recherchejournalismus, welcher in der Aufmerksamkeitsökonomie der sozialen Medien nicht bestehen kann. Dieser Journalismus will und muss bezahlt werden. Es ist allerdings ein Irrtum, dass dieser Journalismus nicht auch virale Geschichten produziert. Man denke da etwa an Constantin Seibts messerscharfe Analyse der Weltwirtschaftskrise, die x-fach geteilt und gelesen wurde. Auch der Journalismus, der sich nach der Aufmerksamkeitsökonomie richtet, kriegt aber zunehmend ein finanzielles Problem, da er sich vom Facebook-Algorithmus abhängig gemacht hat, der beispielsweise neuerdings Links schlechter bewertet und weniger anzeigt. Also gibt es für ihn zwei Möglichkeiten: Entweder er produziert nur noch Clickbait-Content und viele Katzenvideos oder baut sich eine solide Community auf, hat also eine klare Zielgruppe. Immer wichtiger werden wohl kuratierte Bezahlmodelle wie die Zwölf-App vom Tagi oder Blendle.”

Sind JournalistInnen deiner Meinung nach zunehmend überflüssig?

Eine Frage, die wir uns angesichts der Automatisierung des Arbeitsmarktes alle stellen müssen. Gemäss Untersuchungen der Universität Oxford besteht für Journalistinnen und Journalisten eine Wahrscheinlichkeit von 8 Prozent, dass die eigene Arbeit in den nächsten 20 Jahren automatisiert wird, sprich die menschliche Arbeitskraft im Journalismus wegfällt. Dazu haben junge JournalistInnen in der Umfrage gesagt:

“Maschinen können zwar Informationen verarbeiten, aber Menschen können denken, Zusammenhänge erkennen, Analysen machen, Gedanken anstossen, die nicht jeder macht. Journalisten müssen aufklären, von Dingen, die nicht für alle ersichtlich sind, verschiedene Standpunkte erläutern, differenziert arbeiten. Eine Welt ohne Journalismus wäre fatal und ein grosser Rückschritt.”
“Die Aufgabe bleibt im Grunde dieselbe wie bisher: Informationen verständlich aufbereiten, Wissen vermitteln, Zusammenhänge aufzuzeigen und Geschichten zu erzählen. Hinzu kommt eben das Wissen um die richtige Vermittlung (multimedial. Storytelling) und der richtigen Distribution (versch. Kanäle), die nach individuellen Kriterien stattfinden muss. Hierbei ist das Schöne, dass Algorithmen und Computer unterstützend wirken. Doch die Beziehung Mensch-Mensch, resp. Journalist-Publikum wird weiter bestehen, weil wir sie als ehrlicher und sozialer empfinden.”

Viele junge JournalistInnen haben die Bedeutung ihrer Arbeit für eine funktionierende Demokratie betont und damit auch gleich eine Erklärung geliefert, weswegen der Beruf auch in Zukunft nicht überflüssig sein wird. Nur eine befragte Person war derweil tatsächlich der Ansicht, dass JournalistInnen überflüssig werden:

"Wenn sie so unkritisch weitermachen wie bisher, dann schon."

Herrscht in den Redaktionen Aufbruchstimmung?

So unterschiedlich die Schweizer Medien sein mögen, es gibt Unmut über die Stimmung in den Redaktionsräumen unter jungen Journalistinnen.  Für schlechte Stimmung auf Redaktionen werden die Verlage, oder ältere demotivierte Kolleginnen verantwortlich gemacht, so Teilnehmer der Umfrage schrieb:

“Auf meiner Redaktion herrscht eine Mischung aus Wut gegen die Verlagsstrategie und innerer Aufbruchstimmung in der Redaktion.”
“Bei einigen Redaktoren, ja, aber ich sehe bisher nicht, dass sich Redaktionen ganzheitlich und konsequent neu ausrichten. Gründe gibt es wohl viele, ein wichtiger: Viele bisherige Redaktoren - auch in den Onlineredaktionen - sind für die neuen Anforderungen nicht geeignet. Die Redaktion müsste zusätzlich Leute anstellen oder bisherige entlassen und ersetzen. In beiden Fällen ist die Hürde sehr hoch.”

Ob Auf- oder Abbruchstimmung auf den Redaktionen herrscht, scheint gemäss den Umfrageergebnissen stark vom Anteil junger Mitarbeitenden und der Offenheit gegenüber digitalen Inhalten abhängig zu sein. So schreibt ein Umfrageteilnehmer:

"Online ist der Erfolg sofort spürbar und messbar. Das treibt an, Neues zu probieren und wieder zu verwerfen und mit den Formen zu spielen. Die Technik macht es so einfach, Neues zu wagen."

Und eine weitere Person, antwortet auf die Frage:

"Oh ja! Wir sind jung und haben etwas Geld. Optimismus pur! :D"

Werden junge JournalistInnen in den Redaktionen „verheizt“?

Die Meinungen zu diesem Thema gehen weit auseinander. Eine pauschale Aussage sei schwierig zu treffen, betonten mehrere Teilnehmende. So antwortet eine befragte Person:

“Teilweise. Kommt sehr auf den Arbeitgeber an. BaA macht aus den Jungen Clickbait-Bitches, während andere Medien den Jungen sehr bewusst viel Freiraum geben. Wenn ich jemanden anstellen müsste, wäre das eine unerfahrene und junge Multimediajournalistin - mit allen Freiheiten, die sie will.”

Eine weitere sehr kritische Haltung lautete:

“Nicht unbedingt verheizt, aber zu wenig gefördert und gefordert. Auf vielen Redaktionen - zum Beispiel beim St.Galler Tagblatt - herrscht eine verschlafene Stimmung, wie man von jungen hört, welche die Redaktion mangels Weiterentwicklungsperspektiven verlassen haben.”

Insgesamt ergab der Versuch der Kategorisierung der Antworten ein durchzogenes Bild.

Wie empfindest du als junge Journalistin / junger Journalist die heutigen Redaktionen?

Eine Mehrheit der Befragten empfindet die Situation in den Redaktionen als eher negativ, oder negativ. So antwortete ein Teilnehmer auf unsere Frage:

"Hell und geräumig. Voller Menschen, die das nicht wahrnehmen, weil sie frustriert sind."

Die jungen Journalisten zeigten auch Verständnis für die Situation ihrer erfahrenen Berufskollegen:

“Wer Tag für Tag das gleiche Produkt macht und immer nur hört, er müsse sparen, der wird am Morgen kaum voller Enthusiasmus im Büro erscheinen. Dagegen kommt man als junger Journalist nicht an.“

Doch auch bei dieser Frage sind generalisierende Aussagen schwierig, die Situation auf Schweizer Redaktionen zu verschieden. Positiv äusserte sich diese Teilnehmerin:

“Ich habe eigentlich immer sehr positive Erfahrungen gemacht, gute Teams, gute Stimmung. Ich fühlte mich gefördert - als junge Frau im Journalismus. Aber eben: Die Arbeitsbedingungen sind wirklich hart.”

Will das Publikum noch kritischen Journalismus? Oder verkommt der Journalismus zur reinen Unterhaltung?

Bezüglich des Publikums äusserten sich die jungen JournalistInnen bedeutend positiver. Auch wenn gewisse Tendenzen zum Infotainment kritisch kommentiert wurden, ist die Grundhaltung sehr positiv. Allerdings stellt sich für viele junge Journalisten die Frage, ob bezüglich des kritischen Journalismus, noch zu fest in alten Mustern gedacht wird. Ein Umfrageteilnehmer schreibt beispielsweise:

“Klar will das Publikum den kritischen Journalismus, nur nicht in der gleichen Art wie vor 20 Jahren. Was für mich nicht stimmt, ist der Relevanzbegriff, den Frank A. Meyer und andere gestandene Journalisten vertreten. Lesen Sie mal eine Tageszeitung und fragen Sie sich bei jedem Artikel: Betrifft mich das? Wenn Sie kein extrem politischer Mensch sind, haben Sie Glück, wenn Sie nur bei einem einzigen sagen können: Ja, das beeinflusst mich als Person.”

Uneinig sind sich die jungen JournalistInnen in ihrer Meinung zu Buzzfeed. Während die einen davon sprechen, dass dieses Portal kritischen Journalismus und Unterhaltung beispielhaft vereinen, fällt es anderen schwer, Buzzfeed ernst zu nehmen.

Wo siehst du dich beruflich in 5, 10 Jahren?

Eine Frage, die auch durchaus an einem Bewerbungsgespräch gestellt werden könnte, beantworten die jungen Journalisten sehr unterschiedlich. Während die einen ein sehr klares Ziel vor Augen haben, sind andere bezüglich Zukunft im Unklaren, allerdings möchte eine deutliche Mehrheit im Journalismus bleiben. Ein Teilnehmer schreibt:

“Ich habe keine Ahnung. Ich will einfach schreiben, an einem Ort, wo ich gefördert werde, wo mir mein Mund nicht verboten wird, wo ich mich in der Online-Welt austoben und viele Leute erreichen kann. Ich will allerdings viel in meine Ausbildung investieren und immer besser werden. Und für eine kritisch denkende Gesellschaft kämpfen.”

Die Begeisterung für den eigenen Beruf ist bei dieser Frage bei einer jungen Journalistin deutlich zu Wort gekommen:

“Ich bin hoffentlich noch immer eine zufriedene Journalistin. Wie gesagt, ich liebe meinen Beruf.

Fühlst du dich angesprochen? Bist du selbst junge Journalistin oder junger Journalist und möchtes mehr über uns erfahren? Melde dich! Junge Journalisten Schweiz ist die Organisationen von & für junge Journis.

Luzia Tschirky

Die jungen Wilden von Tize.ch

Natalina Haller

Das Online-Medium Tize.ch ist ein neues Internet-Medium, welches ausschliesslich von und für die junge Generation gemacht wird. Nils Feigenwinter ist mit 15 Jahren Projektmanager von Tize und erzählt.

Tize ist das neue Jugendmedium in der Schweiz und wird ausschliesslich von und für die junge Generation betrieben. Mein Name ist Nils Feigenwinter und ich bin 15 Jahre alt. Ich bin ein richtiger „Digital Native“ und interessierte mich schon als Kind für Radio, Fernsehen und Zeitung. Im Spätsommer 2015 gründete ich zusammen mit anderen medienbegeisterten Teenagern das Jugendportal Tize.

Gestartet sind wir Ende August als grosser „Magazin-Sandkasten“ mit fünf Mitgliedern. Es erschienen in unregelmässigen Abständen kurze Artikel zu unterschiedlichsten Themen. Eine Organisation gab es noch nicht wirklich und wir sammelten fleissig Erfahrung. Heute, ungefähr fünf Monate später, sind bei Tize 16 Jugendliche aus der ganzen Schweiz beschäftigt. Alle arbeiten ehrenamtlich und haben unterschiedliche Aufgaben.

Redakteur bei Tize

Ein Tize-Redakteur verfasst pro Woche einen Artikel. Er weiss genau, an welchem Wochentag sein Beitrag publiziert wird und hat so die ganze Woche Zeit, um daran zu arbeiten. In der Themenwahl ist jeder Autor und jede Autorin frei, jeweils eine Woche vorher wird der Tag aber geplant. Bei uns können Jugendliche so ihre ersten Erfahrungen im Journalismus, der Organisation und der Kommunikation machen.

Momentan sind wir auf der Suche nach interessierten jungen Personen, die unsere Beiträge organisieren und auf Qualität prüfen. Natürlich freuen wir uns aber auch weiterhin über Bewerbungen für die Redaktion und den sozialen Bereich. Du findest, das klingt spannend? Du kannst Dich bei uns melden!

Zukunft

Es gibt noch viel zu tun! Wir möchten die Qualität der Artikel steigern, Fehler mindern und eine eigene App lancieren!

Nils Feigenwinter

Recherchefonds 2.0 – Junge Journalisten Schweiz finanziert deine grosse Recherche

Natalina Haller

Junge Journalisten Schweiz hat den Recherchefonds umgebaut – Mitglieder kommen jetzt einfacher zu finanziellen Mitteln, um aufwändige Recherchen im In- und Ausland finanzieren zu können. Ab sofort reicht eine E-Mail mit Anfrage um Unterstützung.

Seit rund zwei Jahren verfügt Junge Journalisten Schweiz über einen unabhängig finanzierten, gut dotierten Recherchefonds. Mitglieder von Junge Journalisten Schweiz erhalten daraus Beiträge an die Spesen für aufwändige Recherchen im In- und Ausland. Seien es Flugticket, Honorare für Übersetzungen vor Ort oder schlicht hohe Gebühren bei Recherchen im Inland: JJS nimmt seinen Mitgliedern das finanzielle Risiko ab.

Künftig ist für die Beantragung solcher Gelder nur noch eine einfache E-Mail nötig. Eine Anleitung in fünf Schritten erklärt den Antragstellenden den Weg von der Idee, über die Unterstützung durch den Fonds, bis zur Publikation der Rechercheergebnisse. Ein Merkblatt steht als Orientierungshilfe zur Verfügung. Zudem entfällt das Jury-Verfahren zur Bewertung der eingereichten Ideen – über den Zuschlag entscheidet künftig der Vorstand von Junge Journalisten Schweiz. „So sollen noch mehr unserer Mitglieder von der Unterstützung profitieren“, erklärt Matthias Strasser, Projektleiter des Recherchefonds. Die Hürden für eine Zusage sollen fallen und die Antwortfristen verkürzt werden.

Die Ursprungsidee des Fonds bleibt bestehen: Gelingt eine Recherche und kann publiziert werden, wird der Unterstützungsbeitrag zurückbezahlt. Das Abnahmemedium bezahlt den Antragstellenden ein Honorar und erstattet die entstandenen Spesen. Verläuft die Recherche im Sand, muss der Unterstützungsbeitrag nicht zurückbezahlt werden. Mit dieser Regelung will Junge Journalisten Schweiz verhindern, dass aus dem Fonds Honorare für journalistische Arbeiten finanziert werden, welche von den Verlagen getragen werden müssen.

Der Fonds richtet sich an alle Mitglieder von Junge Journalisten Schweiz, in erster Linie jedoch an Journalistinnen und Journalisten, welche bereits erste Erfahrungen im Beruf sammeln konnten. Eine Festanstellung ist kein Hinderungsgrund für einen Antrag. Die Beiträge aus dem Recherchefonds sollen jungen Kolleginnen und Kollegen helfen, ihre Hemmschwelle vor grossen journalistischen Projekten zu überwinden.

Matthias Strasser

Kein Softwareprojekt à la Seco - Dafür eines von engagierten Journalist_innen

Natalina Haller

Komplexe Software zu entwickeln, die obendrein brauchbar ist, gehört wohl zu den grossen Herausforderungen unserer Zeit. Das Online-Magazin Tink.ch hat versucht, das zu meistern. Sogar ohne Amtsmissbrauch, dafür mit Ehrenamt.

Manchmal, da verschwinden sie einfach. Die Millionenbeträge. Sie versickern in unbrauchbaren Software-Projekten beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) oder zuletzt in einem Suchsystem der Bundesverwaltung für ein Intranet. Bei ersterem haben die Verantwortlichen 100 Millionen Franken, bei letzterem knapp eine Million in den Sand gesetzt. Die neuen IT-Systeme von Tink.ch haben etwa 30'000 Franken gekostet. Die Webseite und das neue Social-Intranet von Tink.ch verfügen sogar über eine funktionierende Suche und modernste Internettechnologie. Und jeder Franken wurde in einer PHP-Klasse implementiert.

Freilich. Der Vergleich ist ein augenzwinkernder Anflug von Grössenwahn. Die Projekte sind in ihrer Grösse und Komplexität nicht vergleichbar. Und doch haben sie eines gemeinsam mit jedem anderen Software-Projekt: Ihr Aufwand wird von Beginn weg unterschätzt.

Denn Software zu schreiben ist nicht einfach eine Aufgabe für Redbull trinkende Informatik-Nerds mit Hornbrille und Pickel im Gesicht. Software zu schreiben ist eine umfassende Angelegenheit, es ist eine integrative Disziplin mit unzählbar vielen Ansprüchen. Diese Erfahrung hat auch ein Team bei Tink.ch gemacht. Zwei Informatik-Nerds mit Hang zum Normalmenschentum haben zusammen mit einem ganzen Team in den letzten eineinhalb Jahren alles gegeben. Die beiden (natürlich sind es Männer – wir würden uns über mehr Frauen in den fensterlosen Informatik-Hörsälen freuen! (In den (g)rauen Redaktionsstuben übrigens auch!)) sind Tink-Mitglieder, möchten in diesem Artikel aber nicht namentlich genannt werden, weil das Projekt noch in der Beta-Phase steckt und bei schlechtem Wetter noch etwas wankelmütig durch die Weiten des Internets taumelt.

Genug des Klamauks. Sicher willst du wissen, was wir mit den 30‘000 Franken gemacht haben. Oder was die neue Webseite von Tink.ch zu bieten hat. Eine Einführung ins Software-Engineering.

Im Sommer vor einem Jahr wurde es unausweichlich: Tink.ch brauchte eine neue Webseite. Und zwar schnell. Die alte stammte noch aus den Anfängen des Internets. Von damals, als man mit Wordart und blinkenden Gifs noch die Leute beindrucken konnte. Ein für Tink-Verhältnisse gut bemessener Zeitplan und eine Projektgruppe wurden bestellt. Mit der Projektleitung wurden eben die beiden Informatik-Nerds betraut. Diese mussten erst Geld auftreiben. Natürlich konnten die das nicht alleine und wurden von anderen Mitgliedern unterstützt. Eine Crowdfunding-Kampagne spülte mehrere Tausend Franken in die Staatskassen. Stiftungen sprangen ein und private Sponsoren zeigten sich grosszügig. In einem 50-seitigen Konzept evaluierte die Projektleitung die verschiedenen technischen Systeme, skizzierten IP-Pläne und die Aufteilung der virtuellen Maschinen. Aber auch PHP-Frameworks und Backends wurden unter die Lupe genommen. Eine Umfrage unter den Mitgliedern sondierte die Bedürfnisse und das Budget gab die Möglichkeiten vor. 

Offertenanfragen bei IT-Unternehmen holte man ein. Sitzungen wurden abgehalten. Zahlreiche. Dann erarbeitete die Firma Duotones auf unseren Vorgaben das neue Webseite-Design aus. Die Firma Rettenmund-Solutions setzte es um (oder ist immer noch dran). Eine Gruppe Studierender der Softwarecomposition-Abteilung der Universität Bern programmierte das Publikationssystem (genannt Publi+) neu. Während den Monaten legten auch die Projektleiter selbst Hand an, schrieben Codes und richteten Systeme ein. Neues Kernstück im Hintergrund ist das LDAP. Damit lassen sich die Logins sämtlicher IT-Systeme von Tink.ch zentral verwalten und implementieren die neusten Sicherheitsstandards im Netz. Darum herum haben wir ein Social-Intranet aufgebaut (humhub.org). Es ist das neue Büro von Tink.ch im WWW. Es umfasst Wikis, Timelinefunktionen, Umfragen, Kalender, Linksammlungen, virtuelle Räume und Foren. Weiter wurde die Dropbox durch ein servereigenes System (owncloud) abgelöst. Mit einem neuen Bildarchiv, welches mit dem Publikationssystem verbunden ist, können wir mit einem Minimum an Klicks Bilder archivieren, suchen, zuschneiden und für Artikel bereitstellen. Das Mailsystem wurde neu aufgesetzt. Mit einem Monitoring können die Systeme nun bequem überwacht werden. Ein RAID-1-System sorgt für einen verlustfreien Betrieb und ein Backupsystem kann im Notfall zeitnah eingespielt werden.

Und dann eben die neue Webseite. Das Typo3 traten wir in die Tonne und setzen seither auf das allseits bekannte Wordpress-Backend. Mit einem eigens programmierten Plugin können die Artikel aus dem Publikationssystem mit drei Mausklicks importiert und publiziert werden. Es ist vielleicht das effizienteste Publikationssystem der Welt. Damit haben wir viel Zeit für das eigentliche Kerngeschäft von Tink.ch geschaffen: Journalismus. Der Import von mehr als 7'000 Artikel ins neue System stellt uns immer noch vor technische Herausforderungen.

Demnächst folgt die Tink-App fürs Iphone und für Android. Bereits jetzt kommt die Webseite in neuem Gewand daher. Der Fokus liegt fortan auf dem Inhalt. Und wir wollen unsere Sprachregionen näher zusammenrücken. Wer es nicht explizit abwählt, wird mit Beiträgen in italienischer, deutscher und französischer Sprache bedient. Bilder erhalten mehr Gewicht und das alles ist für mobile Geräte optimiert worden. Die User können ihre Artikel mit der neuen Filter-Funktion selbst nach ihrem Gusto zusammenstellen.

Das alles war natürlich nur möglich, dank dem überdurchschnittlichen Einsatz aller Beteiligten, etwas Geld und ganz viel ehrenamtlicher Arbeit. Wir haben das zu Beginn mal aufgeschrieben. Während den ersten drei Monaten des Projekts wurden über 400 Stunden ehrenamtliche Arbeit geleistet.

Noch steckt die Webseite in der Beta-Version und die letzten Systeme werden hochgefahren. Um aber auch künftig mit der Zeit gehen und die ständig wandelnden und wachsenden Ansprüche, die an ein Online-Medium gestellt werden, erfüllen zu können, wird es auch in den kommenden Jahren viel Engagement, technisches Know-How, etwas Geld und vor allem kreative Ideen und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit brauchen. Dann kann Tink.ch ein Laboratorium für Online-Journalismus von jungen, engagierten Menschen sein. Wir haben jetzt den Grundstein dafür gelegt. Denn der Journalismus der Zukunft wird Hand in Hand mit der Informatik gehen müssen. Nicht nur mit Twitter, Facebook, Suchmaschinen oder elektronischen Archiven.

Michael Scheurer

Der Kater nach der Party

Natalina Haller

Das online Portrait-Magazin One Day Portray ist seit Oktober des letzten Jahres live. Dank einem Crowdfunding sicherten sich die Initiantinnen die Startfinanzierung - eine grosse Party! Das Budget ist nun aufgebraucht und es müssen langfristige Finanzierungspläne geschmiedet werden - damit der Kater in Grenzen gehalten werden kann. Wie sie das machen, erzählen sie gleich selber.

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Hoffen, dass sich die Flügel von One Day Portray in allen Belangen ausbreiten: Die Gründerinnen Gabriella Hummel und Laura Brüllmann.
Copyright: One Day Portray

Was für ein Jahr! Idee. Startschuss. Crowdfunding. Umsetzung. Website-Launch. Onlinemagazin. Redaktionsalltag. Wir blicken auf ein Jahr voller neuer Erfahrungen zurück und freuen uns auf alles, was im 2016 noch kommt! Vor ziemlich genau einem Jahr kam uns die Idee zu One Day Portray: Einem Online-Magazin, das sich auf Portraits spezialisiert. Die Protagonist_innen sind Menschen wie du und ich und werden jeweils einen ganzen Tag begleitet, daher auch der Name One Day Portray. Im April 2015 starteten wir eine Crowdfunding-Kampagne auf dem Schweizer Portal wemakeit. Während sechs Wochen mobilisierten wir Freunde, Familie und Bekannte und durften am 4. Juni jubeln! Wir hatten es geschafft und 22’447 CHF gesammelt! 197 Menschen, darunter auch die Jungen Journalisten Schweiz, haben uns unterstützt. Das waren am Ende sogar 1’447 CHF mehr, als wir uns zum Ziel gesetzt hatten. 10% dieser Summe ging als Provision an Wemakeit und mit den verbleibenden 20’202 CHF konnten wir endlich Nägel mit Köpfen machen und unser Projekt verwirklichen. Ziemlich genau zum Abschluss des Jahres 2015 zeigte unser Konto wieder 0 CHF an. In diesem Gast-Blog möchten wir euch gerne einen kleinen Einblick gewähren, wie wir nun weitermachen wollen und was wir uns fürs 2016 vorgenommen haben.

Wohin das Geld floss

Eine der meist gestellten Fragen, sei das von Freunden oder Journalist_innen, war und ist fast immer: Und wie wollt ihr euch finanzieren? Nun, die Startfinanzierung gelang uns dank dem Crowdfunding. Die 20’202 CHF gaben wir zu einem Grossteil für die Website aus, die wir von der jungen Digital-Agentur Y7K haben gestalten und umsetzen lassen. Ausserdem gaben wir eine gute Teilsumme für die Herstellung der Crowdfunding-Belohnungen aus. Uns war zum Glück im Vorfeld bewusst, dass wir dafür einen satten Betrag einrechnen müssen und darin wurden wir bestätigt. Die Produktion der Booklets, Postkartensets, Einladungen zum Nachtessen und die Launch-Party kosteten uns ca. ein Drittel der Gesamtsumme. Aber es war uns jeden Rappen wert! Aktuell können wir unsere Autorinnen und Produzenten leider noch nicht entlöhnen, sondern nur unsere Übersetzerinnen. Demnach floss natürlich auch ein Teil des Geldes in die Übersetzungen, da wir allen Inhalt auf Deutsch und Englisch anbieten. Fakt ist, unser Crowdfunding-Budget ist aufgebraucht, die Party ist vorbei und wir müssen uns nun Möglichkeiten überlegen, wie wir One Day Portray dieses Jahr finanzieren und den Neujahrskater in Grenzen halten können.

Wohin das Geld fliessen wird

Von Mitte Dezember bis Ende Januar gönnen wir uns eine kleine Winterpause. Nicht nur als Verschnaufpause für die Publikationen, sondern vielmehr auch, damit wir uns Zeit nehmen können, unsere (finanzielle) Zukunft zu planen. Die Idee ist es, weiterhin jeweils wöchentlich am Sonntag (#sundayisportraitday) ein neues Portrait zu veröffentlichen. Das bedeutet, dass wir im aktuellen Jahr knapp 50 Portraits publizieren möchten. An einem Portrait sind in der Regel mindestens vier Leute beteiligt: Ein Autor, ein Fotograf, eine Übersetzerin und eine Redaktorin. Das bedeutet, vier Parteien, denen wir gerne auch eine finanzielle Wertschätzung gewährleisten würden. Ausserdem müssen wir unsere Website unterhalten und haben auch schon einige neue Features - wie z.B eine interaktive Weltkarte - geplant. Dafür müssen wir ebenfalls Geld budgetieren. 

Im Rahmen einer Seminararbeit an der Universität Luzern erarbeitet Laura gerade alternative Finanzierungsmöglichkeiten für One Day Portray. Die Resultate des Benchmarking sind noch nicht final, aber der Vergleich mit ähnlichen Online-Magazinen zeigt bereits deutlich, dass viele Medien mit der Zeit entweder Abokosten oder Werbung einführen, um die langfristige Finanzierung zu sichern. Da beide Optionen für uns momentan kein Thema sind, hoffen wir auf Stiftungsgelder und schreiben fleissig Anträge. Falls du, lieber Leser noch eine andere Idee hast, ungeniert melden, wir sind dankbar um jeden Input, damit wir unser Baby am Leben erhalten können!

Aus Liebe zum Journalismus

One Day Portray ist eine kleine Gegenbewegung zum immer schneller werdenden Journalismus. Die Digitalisierung reisst vor allem jene journalistischen Textgattungen in Mitleidschaft, die viel Zeit und damit auch Geld benötigen: Die Reportage und das Portrait. Wir wollen genau diesen beiden Formaten wieder mehr Raum geben, indem wir Reportagen-Portraits publizieren, in allen möglichen Formaten. Text. Bild. Video. Audio. Gif. Und natürlich auch in allen denkbaren Kombinationen. An dieser Stelle möchten wir uns nochmals bei allen bedanken, die sich bei uns gemeldet haben und/oder bereits etwas für One Day Portray produziert haben! Es ist schön zu wissen, dass wir nicht die einzigen zwei Ideologinnen im Journalismus sind und weiterhin an den gut recherchierten, zeitaufwändigen und inspirierenden Journalismus glauben! Schön, dass es so viele Gleichgesinnte gibt. Wir freuen uns über jeden Mitstreiter.

Gabriella Hummel & Laura Brüllmann

Jedermanns Rechte und Pflichten im Internet

Natalina Haller

Thomas Riesen hat in einer Blog-Trilogie das aktuelle Thema Desinformation statt Information im Internet behandelt: http://www.thomas-riesen.ch/blog/. Anlass gab unter anderem die "Caritas-Lüge", eine erfundene Geschichte, die sich nicht zum ersten Mal auf Facebook verbreitete. JJS-Generalsekretärin Janine Teissl hat im letzten Teil über die rechtlichen Aspekte der Verbreitung rechtswidriger Äusserungen im Internet geschrieben.

Mit dem Internet und insbesondere mit den Sozialen Medien haben sich die Verbreitungsmöglichkeiten von jedermanns in Worte gefasste Gedanken verändert. Noch vor ein paar Jahren äusserte sich jedermann innerhalb seiner eigenen vier Wände oder der Wände seiner Stammbeiz. Faktisch macht er das zu Hause am Computer sitzend in der Regel auch heute noch, bloss mit dem Unterschied, dass seine Äusserungen nicht an seinen vier Wänden abprallen und zu ihm zurückgeworfen werden. Und damit die Möglichkeit erhalten würden, durch den Gehörgang in den Kopf von jedermann zu gelangen, damit dort gerade Gesagtes nochmals überdacht werden kann.

Das Internet ist öffentlich

Jedermanns Aussagen gelangen direkt und teilweise ungefiltert in die Weiten des Internets und damit in die Öffentlichkeit. Von Öffentlichkeit redet man nur dann nicht, wenn sich die Äusserungen nur an einen stark begrenzten Kreis von ein paar wenigen Leuten richten. Menschen reagieren auf jedermanns Äusserungen und Reaktionen stacheln sich gegenseitig an. Jedermanns Worte werden schnell verbreitet, viel schneller als früher, und können unter Umständen eine viel grössere Anzahl von Menschen erreichen als erwartet. Die Bedeutung von Sozialen Medien als Informations- und Meinungslieferanten hat stark zugenommen, die Lesernähe zieht jedermann an und weg von den traditionellen Medien. Die Reichweite und der Einfluss von Medienalternativen nehmen zu, was aus diversen Gründen Gefahren birgt. Weil jedermann nicht JournalistIn ist, ist er nicht vertraut mit den journalistischen Grundprinzipien (s. dazu die „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“). Das Verbreiten von unverifizierten Informationen, aber auch das Verbreiten von reinen Gerüchten hat deshalb grosses Potenzial. Und nun steht jeder der Schwierigkeit gegenüber, wahre von unwahren Geschichten zu unterscheiden. Desinformation statt Information. Die möglichen Auswirkungen von jedermanns Äusserungen übersteigen also diejenigen von Stammbeizgesprächen enorm.

Schwierigkeit, wahre von unwahren Geschichten zu unterscheiden

Jedermanns Äusserungen in der digitalen Welt des Internets sind gleich zu behandeln wie Äusserungen in der realen Welt. Mit ihnen können diverse Straftatbestimmungen erfüllt werden. Und zwar auch durch das Weiterverbreiten von Beschuldigungen oder Verdächtigungen. Im Vordergrund stehen dabei Ehrverletzungsdelikte wie die Beschimpfung, die Verleumdung oder die üble Nachrede, geregelt sind sie in den Artikeln 173 – 177 des Strafgesetzbuchs. Die letzten beiden Tatbestände kommen nur zum Zug, wenn die Aussagen öffentlich, also nicht nur gegenüber der betroffenen Person, gemacht werden. Das unreflektierte Teilen von unverifizierten Informationen mit ehrverletzenden Inhalten zum Beispiel auf Facebook oder anderen Social Media-Plattformen kann also strafbar sein. Gegen Verfasser oder Verbreiter von ehrverletzenden Äusserungen kann eine Strafanzeige eingereicht werden. Bei unbekannter Urheberschaft müssen die Strafbehörden ermitteln.

Ehrverletzende Äusserungen können straf- und zivilrechtlich verfolgt werden

Auch das Zivilrecht bietet Instrumente, mit denen persönlichkeitsverletzende Äusserungen verfolgt werden können. Die rechtlichen Grundlagen dazu finden sich in den Artikeln 28 ff. des Zivilgesetzbuchs. Mit einer Unterlassungs-, Beseitigungs- oder Feststellungsklage kann beantragt werden, dass Berichte geändert oder gelöscht werden, bzw. deren Widerrechtlichkeit festgestellt wird. Zudem kann Schadenersatz, Genugtuung oder die Herausgabe eines Gewinns gefordert werden.

Rassendiskriminierungsverbot als Werkzeug gegen rassistische Äusserungen

Auch das Rassendiskriminierungsverbot bildet ein Werkzeug gegen rassistische Äusserungen im Internet. Stösst man auf rassistische Berichte, Posts oder Kommentare, sollte man sie melden. Rassistisch äussert sich gemäss Art. 261bis StGB, „Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft...“. Gemeldet werden kann eine Äusserung zuerst beim Betreiber einer Website, verbunden mit der Forderung, den problematischen Eintrag zu löschen. Auch Facebook reagiert auf Meldungen von heiklen Inhalten. Jedoch steht Facebook in der Kritik, Hasskommentare oder andere problematische Inhalte nicht konsequent genug oder zu langsam zu löschen. Dabei beruft sich das Soziale Medium unter Umständen auf seine eigenen Community Standards, die die Schutzwürdigkeit von Subjekten anders einstufen können, als einzelne Länder es tun. In letzter Zeit passiert in diesem Zusammenhang aber einiges, es häufen sich Fälle, in denen gegen Facebook ermittelt wird. Unter anderem hat ein deutscher Anwalt gegen die Facebook Germany GmbH, bzw. gegen die drei Geschäftsführer, Strafanzeige wegen „Beihilfe zur Volksverhetzung“ eingereicht, weil eine Vielzahl von gemeldeten und vermutlich rechtswidrigen Inhalten nicht gelöscht wurden.

Meldung von problematischen Äusserungen und Inhalten

Meldung kann bei einer Polizeistelle oder Staatsanwaltschaft gemacht werden. Und bei der KOBIK, der Schweizerischen Koordinationsstelle zur Bekämpfung von Internetkriminalität. Die Zahl der Meldungen beim Bundesamt für Polizei hat in den letzten Monaten stark zugenommen. Das kann auf eine Zunahme von problematischen Äusserungen im Internet und auch auf eine Sensibilisierung der Leser bzw. Nutzer zurückgeführt werden. Es ist anzunehmen, dass sich diese Tendenz fortsetzt und die Diskussion um die echte Meinungsfreiheit noch lange geführt werden wird.

Nicht zuletzt sollte jedermann sich überlegen, welche Folgen diskriminierende, rassistische, extremistische und religionsverachtende Äusserungen innerhalb und ausserhalb des Internets in seinem beruflichen und privaten Umfeld nach sich ziehen können. Arbeitgeber können Arbeitsstellen kündigen und Freunde Freundschaften. 

Janine Teissl

Rückblick auf Journalismus jetzt - das junge Medienforum

Natalina Haller

Das erste Journalismus jetzt - das junge Medienforum fand vom 20. - 22. November in der Medienhauptstadt Zürich statt. Wind, Schnee und Regen hielt die rund 70 Teilnehmenden nicht ab. Ob Einsteiger oder erfahrene Jungjournalistin, sie kamen, um zu bleiben, sich auszutauschen, weiterzubilden und zu vernetzen.  

Bei den Redaktionsbesuchen am Freitag konnten Teilnehmende bei der Redaktionssitzung von Watson teilnehmen, bei der NZZ gab es Lego und auch ein Blick aus dem berühmten Turmzimmer durfte nicht fehlen. Bei Joiz war der Redaktionshamster mit eigenem Twitter-Account das grosse Thema. Und auch bei SRF Rundschau, SRF Virus, Beobachter und Annabelle konnten die jungen Medienmachenden einen Blick hinter die Kulissen werfen. 

Am Abend diskutierten ein iranischer Blogger (Khusraw Mstafanejad), eine Schweizer Journalistin, die aus Russland berichtete (Luzia Tschirky), ein österreichischer Journalist (Christoph Schattleitner) und ein Mitglied von Reporter ohne Grenzen (Bettina Büsser) über die Informationsfreiheit.

In Workshops Neues lernen stand am Samstag auf dem Programm. Von Auftreten und Rhetorik und Coaching für Freischaffende bis zu Reportage und Video 1x1 – es war für jeden Geschmack etwas dabei. So hiess es schreiben, ausprobieren, reden, fotografieren und präsentieren.

Anschliessend konnten sich die jungen Medienmachenden und solche, die es werden wollen, in der Wandelhalle mit Ausbildungsinstitutionen (ZHAW, MAZ, HTW) austauschen, bei Magazinen (LAMM, NZZ Campus, tink.ch) "reinschnuppern" und sich beim Berufsverband impressum informieren.

Zum Abschluss heizte die Band Baby Genius den Teilnehmenden so richtig ein. Der Indie-Rock überzeugte. Die Zuhörer tanzten bis am Morgen, denn die Musik machte einfach gute Laune.

Ein gemütlicher Brunch und spannende Inputreferate bildeten am Sonntag den Abschluss. Pascal Biber, Wissenschaftsjournalist bei SRF, sprach mit viel Humor über das "Orchideenfach" Wissenschaftsjournalismus und die Wichtigkeit von Zahlen. Anne-Sophie Keller, MAZ-Volontärin im Reportageteam des Migros Magazins und Bloggerin, sprach über journalistische Verrichtungsboxen, das Haifischbecken und Chancen im Journalismus. Sie gab den Jungen Überlebens-Tipps mit auf dem Weg. Dann wurden die letzten #JJ15-T-Shirts an die Teilnehmenden verteilt.  

3 Tage, 7 Redaktionsbesuche, 13 Workshops und rund 70 Teilnehmende – das war Journalismus jetzt. Auf den jungen Journalismus heisst es jetzt und bis zum nächsten Mal.

Lest auf Storify nochmals nach was ihr erlebt und gelernt habt und informiert euch über das, was ihr verpasst habt!

La vie continue

Natalina Haller

Anja Glover ist eine junge Schweizer Journalistin und Mitglied von Junge Journalisten Schweiz. Zurzeit lebt sie in Paris und hat die letzten Tage und auch damals Charlie Hebdo miterlebt. Sie hat uns diesen Text für unseren Blog zur Verfügung gestellt.

Marianne, die eiserne Statue auf dem Place de la Republique reckt ihren Olivenzweig in die Höhe, zu ihren Füssen tummeln sich Menschen und Medien. Die Versammelten trauern, staunen, sind fassungslos. Noch nicht ein Jahr ist es her, als wir uns alle hier versammelten, um gemeinsam zum „Place de la Nation“ zu marschieren. Als wir bis spät in die Nacht Lieder gesungen hatten und glaubten, dass dieser Moment historisch und einmalig sei. Als wir uns alle sicher waren, Charlie zu sein. Wir fühlten uns sicher, damals so wie am Freitag, dem 13. November und auch heute. Zu unrealistisch und - obwohl es genau hier geschah, ein paar Meter weiter- zu weit weg, fühlte es sich an. Es sind nicht nur jene Kinder, die hier in der Abendsonne Fangen spielen, die nicht verstehen. Wir alle können nicht verstehen, auch so nahe am Geschehen sind wir schlichtweg unfähig zu fassen, was geschieht und geschehen ist. Wir sind noch nicht einmal fähig, richtig Angst zu haben. Zu friedlich wirkt dieses Paris, das wir so gut kennen.

Wir hatten uns nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo längst daran gewöhnt, dass Polizisten überall aufmerksam umhergingen. Mit ihren Schlagstöcken am Gürtel baumelnd und den Gewehren in den Armen wiegend, fühlten wir uns längst sicher, von ihnen umgeben zu werden. Wir zeigten Ausweise und Taschen, bevor wir die Uni betraten und das Geräusch von Polizeiwagen und Abmulanzen gehörte zum Leben in Paris wie das Vogelgezwitscher in den Wald.

Und dann passierte es wieder: Dieses üble Gefühl des Unwissens, das gehetzte Verfolgen von Nachrichten, getrieben von Sorge und Angst, diese Fragen, die unbeantwortet, aber nicht vergessen bleiben. Und dann das Glück, das plötzlich empfunden wird, sobald wir wissen, dass es all unseren Bekannten gut geht und die von schlechtem Gewissen erfasste Freude darüber. Die hohen Wellen, die sich in den sozialen Medien selbst zu überschlagen drohen und das Unwissen, wie man damit umgehen und was man davon halten soll. 

Wie ist es momentan in Paris, wie fühlt es sich an? Ich weiss nicht. Wie ist es momentan woanders? Erfahren wir nicht alle gleich viel? Und gleich schnell? Sind wir nicht alle betroffen? Haben wir nicht alle dieselben Videos gesehen und Texte gelesen? In den Medien mag das Bild der Geisterstadt durchgedrungen sein. Mir zeichnet sich ein anderes: Paris ist auf den Strassen, wie sonst auch. Die Menschen legen nur wenige Stunden nach dem Anschlag Blumen am Tatort nieder, andere verschwitzen ihre Kleider beim Joggen, wieder andere trinken ihren Sonntagskaffe, neben der Seine so wie auch im 11. Arrondissement. Die Seine spiegelt das Licht der Sonne, es ist erstaunlich warm geworden, jemand macht einen Witz, wir lachen. Es geht uns gut. Darf es das? Darf es uns hier gut gehen?

Wir stehen heute wieder da und blicken an ihr hoch, an Marianne, die seit der Französischen Revolution für Freiheit steht und uns daran mahnt, sich brüderlich zu benehmen, uns versucht zu sagen, dass wir alle gleich sind. Wir blicken an ihr hoch, wie sie selbstbewusst und sicher über die Stadt der Abendsonne entgegenblickt und versuchen zu verstehen. Ihr Sockel ist längst bemalt worden, glüht im Kerzenlicht und ist übersäht mit Blumen und Briefen. Dieser Tag wird zu ihrer Geschichte gehören und auch zu unserer. Wir bleiben bis die Sonne untergeht, der Eiffelturm auf der anderen Seite der Seine leuchtet wieder und wirft sein beschützendes Licht kreisförmig über die Stadt, die doch eigentlich die Stadt der Liebe ist. Es ist schwierig zu fühlen, nachzuvollziehen und es schwierig, wieder naiv zu sein, zu hoffen und schlichtweg zu leben. Es ist schwierig zu glauben, dass wir alle gleich sein sollen.

Eine Frau überquert mühsam hechelnd die Strasse, auf meiner Seite angekommen lächelt sie über sich selbst und erklärt mir, dass sie nicht mehr die Jüngste sei, ehe sie auf ihr Fahrrad steigt und davonradelt. Etwas weiter vorne bietet mir ein Verkäufer Rosen an, ich lehne wie immer dankend ab. Und da an der Ecke im Park stellt sich ein Vater ungeschickt beim Fussballspielen mit seinen Kindern an. La vie continue. Fluctuat nec mergitur. Das Leben geht weiter. Paris schwankt, wird aber nicht sinken. Wir dürfen wieder lächeln, wahrscheinlich sollen wir auch.